Troyes - nicht alles ist lecker

Auf der Suche nach gutem Champagner fahren wir 100 Kilometer nach Süden. Dort - so hat man uns gesagt - sollen die Winzer wilder sein und experimenteller arbeiten. Das klingt doch genau nach unserem Geschmack. Côte des Bar heißt die Region, die schon an das nördliche Burgund grenzt. Die Landschaft ist magisch. Wir sind im „Park naturel régional de la Forêt d'Orient“. Dichte Eichen- und Tannenwälder liegen um drei riesige Seen. In Géraudot am Lac d’Orient vermietet uns Olivier ein Holzhäuschen. Die Treppen knarzen, der Boden in den oberen Räumen bebt, wenn die Kinder auf den Betten toben. Saugemütlich.

Die Kinder können hier herrlich rennen und sich austoben - damit sie abends auch schön müde sind.

Es wird Herbst, die Temperaturen sinken in der Nacht auf fünf Grad. Am Morgen, wenn wir unterrichten wollen, ist es kalt. Wir heizen den Holzofen an und fühlen uns fast wie zuhause. Die Croissants aus dem Nachbardorf Lusigny sind so groß, dass fünf Stück nicht in eine Tüte passen. Der Teig scheint nur dazu da zu sein, die riesigen Mengen Butter zusammenzuhalten. Die Pains au Chocolat sind noch mächtiger. Selbst Jakob schafft nur eine Hälfte. Dann ist er satt und gibt auf. Ich taufe sie Monstercroissants, die Kinder sprechen von den besten Croissants der Welt. 

Am Nachmittag reisen wir ins Mittelalter. In der Nähe des Dörfchens Bar-Sur-Seine liegt die Commanderie d’Avalleur, 1167 von den Templern errichtet. Die Kinder stürmen durch die alten Gemäuer und entdecken die Schlafräume der Ordensritter. Die große Tafel, an der gespeist wurde, ist gedeckt. Jakob, Fine und Lotti nehmen sofort Platz und wollen alles über die Templer wissen.

Ob hier wohl der Schatz der Templer versteckt ist?

Wir erzählen, dass es sich um den ersten Orden handelte, der auch kämpfte. Männer des Glaubens und des Schwertes, mit weißen Kutten und rotem Kreuz. Die Ritter häuften große Reichtümer an. Das passte dem Papst gar nicht und er löste die Templer 1312 auf. Angeblich sollen sie einen Schatz versteckt haben, der bis heute nicht gefunden wurde. Ist er vielleicht hier im Wald vergraben? Die Kinder schauen sich aufgeregt an und wollen am liebsten sofort mit dem Graben beginnen.

Champagner bei Jean Velut

Wir finden keinen Schatz, aber großartigen Champagner unweit der Stadt Troyes. Beim Weingut Jean Velut. Champagner-Expertin Nicola Neumann von Champagne Characters in München hat uns einen Kontakt hergestellt. Das Dörfchen Montgueux liegt auf einer Anhöhe. Familie Velut baut hier seit einigen Jahrzehnten Champagner-Trauben an. Sohn Benoît empfängt uns. Er ist angespannt, am nächsten Tag soll die Lese beginnen. Und die Veluts machen alles selbst. Handarbeit. 80 Prozent Chardonnay, 20 Prozent Pinot Noir. Das ist ungewöhnlich hier in der Côte des Bar, wo die Winzer sonst auf Pinot Noir setzen.

Aber Montgueux ist anders. Um das Dorf herum liegen einige Weinberge, dann über viele Kilometer nur Felder. Es ist eine Enklave des guten Geschmacks, denn nur hier eignen sich die Böden für Reben. Im Gegensatz zur restlichen Côte des Bar, wo Kreideböden vorherrschen, gibt es hier Kalk. Und das gefällt eben dem Chardonnay.

Willkommen in der Enklave des Chardonnay.

Benoît öffnet die erste Flasche. “Ich mache einfache Weine”, sagt er und zwinkert uns zu. Patrick runzelt die Stirn. Er hat beruflich viel mit Winzern zu tun und vermutlich noch nie einen getroffen, der sagt, er mache einfache Weine. Doch nach dem ersten Schluck wird klar, was Benoît meint. Der Wein ist geradlinig und frisch, so einfach zu trinken wie ein Schluck Quellwasser - dabei animierend, sich über die großen Fragen des Lebens zu unterhalten und aufs Essen zu freuen. “Ich möchte, dass meine Einstiegsweine nicht aufdringlich sind. Man soll sich beim Trinken gut unterhalten können, und muss sich nicht zu sehr auf den Champagner konzentrieren”, sagt er. Das ändert sich bei den Weinen 

Andouillete und Chaource

Die Markthalle von Troyes ist ein Traum. An den Gemüseständen gibt es zehn verschiedene Sorten Tomaten, gelbe, rote, grüne, violette, gestreifte. Daneben Artischocken, runde Zucchini, Auberginen, frische Bohnen. Alte Damen verkaufen Pasteten, Quiches und Aufstriche. Es gibt zwei Metzger und drei Käsestände. In einer Ecke werden Baguette und Brioche verkauft. In der anderen Ecke wartet der Kellner eines kleinen Restaurants auf erste Gäste, hinter ein paar Säulen sitzen einige Franzosen bei ersten Gläschen des Tages.

Willkommen im Paradies.

Hier lässt man sich am späten Vormittag gerne nieder, bestellt beim Fischstand von gegenüber eine Portion Austern, dazu einen Petit Blanc, in diesem Fall einen Muscadet sur Lie von der Loire. Aus purer Neugier machen wir es ihnen nach. Die Kinder essen Croissants und trinken hausgemachte Limo.

„Was sind die lokalen Spezialitäten aus der Champagne?“ fragen wir José den Weinhändler. Natürlich auf Französisch. Das Gläschen Muscadet hat die Zunge locker gemacht. Der antwortet prompt: „Chaource und Andouillete.“ Chaource ist ein Weichkäse aus leicht gesalzener Kuhmilch und kommt aus dem gleichnamigen Dorf.

Die Einheimischen haben so gegen elf Uhr hervorragende Idee. Wir tun es ihnen gerne nach.

Und Andouillete ist eine Wurst aus Innereien, meist Kälbermagen. Eine Spezialität aus Troyes. Gleich um die Ecke des Marktes soll es die beste geben. Leider hat genau an diesem Tag der Metzger zu. Also ordern wir beim gewaltigen Schlachter auf dem Markt vier Stück.

Der Geruch voller, alter Windeln

Neugierig schneidet Patrick am Abend die Wurst in Scheiben und brät sie an. Ein wundersamer Geruch breitet sich auf. Es riecht, ja wie riecht es…Lange wollen wir es nicht zugeben: Aber es stinkt. Der Duft ist unangenehm, sticht in der Nase. Patrick serviert die gebratenen Wurstscheiben mit Kartoffelpüree. Sie schmecken salzig, fleischig und der Geruch wird immer ekliger. Er lässt sich durch nichts übertünchen. Endlich fällt es mir ein: Die Wurst riecht nach den Windeln der Kinder, wenn sie lange nicht gewechselt wurden oder eher gesagt nach dem Inhalt. Puh. Das ist es. Von dem Punkt an ist es vorbei. Wir bekommen einen Lachkrampf und verzichten auf die Andouillete. Noch am nächsten Morgen stinkt die ganze Küche nach der Spezialität. Gott sei Dank fahren wir ab und lassen den Rest im Kühlschrank. 

Kleines Geschenk für Olivier. 

Zurück
Zurück

Leinen los - unterwegs auf dem Hausboot. 

Weiter
Weiter

Zu Tisch beim Winzer