Zu Tisch beim Winzer
Didier und Isabelle – diese Namen hatte mir mein Onkel zugeraunt, als wir nach gutem Champagner fragten. Ein echter Geheimtipp.
Er selbst hatte die beiden vor ein paar Jahren kennengelernt. Durch Zufall. Mein Onkel fuhr südlich von Reims durch die Weinberge auf der Suche nach einem guten Champagner. In einem kleinen Dorf hielt er an, weil er auf die Karte schauen wollte und entdeckte das Schild: „Vente de Champagner“. Er stieg aus, lernte Didier und Isabelle kennen und seitdem ordert er nur noch bei den beiden.
Unterwegs zum Geheimtipp
Vor der Reise habe ich Didier angeschrieben und gefragt, ob wir ihn besuchen dürfen und ob er vielleicht noch eine günstige Übernachtungsmöglichkeit wisse. Er antwortete sofort: „Kommt vorbei und übernachtet bei uns.“ Wir sind sehr aufgeregt, als wir durch die Weinberge fahren. Was erwartet uns? Wie ist es bei einem Champagner-Winzer zuhause? Und wie werden es die Kinder finden?
Die Gegend ist einsam, kleine Dörfer ohne Leben und viele Weinreben. Wir kommen an drei Soldatenfriedhöfen vorbei. Erst die Briten, dann die Italiener und dann die Deutschen. Kein Wunder, hier tobte der Erste Weltkrieg und es gab riesige Schlachten. Hunderttausende Menschen liegen hier begraben, 1918 war die Champagne eine einzige Ruine. Noch heute sind die Spuren zu sehen. In einem kleinen Dorf gibt es einen Picknickplatz. Eine rostige Garage unterhalb der „Mairie“ des Bürgermeisterhauses. Hähne krähen und ein Hund bellt uns böse an. Wir packen trotzdem Bagutte, Käse und Salami aus und ignorieren die Umgebung.
Die Spuren des Ersten Weltkriegs sind überall zu sehen
Am Nachmittag rollen wir bei Didier auf den Hof in Igny-Comblizy. Ein riesiger Mann eilt auf uns zu und breitet die Arme aus. „Bienvenue“, ruft er. „Kommt herein.“
Didier erklärt Patrick in den Weinbergen was er da so tut, und warum es bis zu Lese noch ein paar Tage dauert.
Wir steigen eine Treppe hoch, vorbei an einigen Kisten mit Champagnerflaschen und stehen in seinem Wohnzimmer. Es ist hell und gemütlich. Wir haben eine ganze Etage für uns allein. Die Kinder schlafen im Zimmer des erwachsenen Sohnes. Jakob entdeckt ganze Kisten voll Lego und ist erstmal beschäftigt. Didier und seine zweite Frau Isabelle zeigen uns die Weinberge. Die Trauben sind reif, in der nächsten Woche wird geerntet. Die Kinder stecken sich die Früchte in den Mund. Sie schmecken säuerlich, noch fehlt es etwas an Reife .
Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier - die klassischen Rebsorten
Didier hat fünf Hektar und baut die drei klassischen Rebsorten für Champagner an: Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. In der Champagne gibt es strenge Regeln. Die Höhe der Rebzeilen ist vorgeschrieben, alles ist Handarbeit. Bio sei schwierig, sagt Didier. Das Klima ist feucht und kühl, die Weinberge anfällig für Krankheiten. Er versucht so wenig wie möglich zu spritzen. Aber hin und wieder ist es einfach nötig. Didier hat sich mit anderen Winzern zu einer Kooperative zusammengeschlossen, um die aufwändige Herstellung gemeinsam zu stemmen. Didier kümmert sich um die Trauben und die Ernte. Nach der Lese werden die Trauben gepresst, der Saft kommt für ein paar Stunden in Tanks. Dann wird er abgepumpt und in die nächste Kooperative gefahren, wo sich andere Spezialisten um die erste Gärung kümmern. Der fertige Grundwein wird dann in die nächste Kooperative gebracht, dort kommt er in die Flasche, dazu nochmal Hefe und etwas Zucker, damit die zweite Gärung startet – die bringt nun die Perlen in den Wein. Jeder Arbeitsschritt in der Champagne ist von den Winzern ausgelagert, jeder macht das, was er am besten kann. Natürlich gibt es auch Winzer, die alles selbst in der Hand haben wollen, aber so wie Didier es macht, ist es Tradition.
Didier und ich haben Durst. Und zwar nicht irgendeinen Durst - wir haben Lust auf Champagner!
Die Kinder haben inzwischen ein neues Haustier gefunden. Eine Weinbergschnecke. Während Didier uns seine Anlagen zeigt, sind sie beschäftigt, einen kleinen Käfig aus Blättern und Stöcken zu bauen. „Die kommt jetzt mit auf die Reise,“ sagt Jakob. Die Schnecke zieht eine Schleimspur über seine Hand. Sie möchte zurück in die Reben.
Und dann sagt Didier den entscheidenden Satz: “J´ai seuf.” Ich habe Durst. Herrlich, wir auch. Wir fahren zurück zum Weingut und Isabelle tischt auf. Selbstgemachte Pizza, Pommes und Braten, Mousse au Chocolat. In der Champagne gibt es nicht viele regionale Spezialitäten, erklärt Isabelle. Außerdem wollte sie ein Kinderessen anbieten. Unsere drei Kinder schaufeln Pommes und sind glücklich. Wir auch, denn Didier öffnet einen Champagner nach dem anderen. Ein Pinot Meunier, ein Jahrgangschampagner und dann den Chardonnay. Einer besser als der andere. Didier verkauft seine Weine hauptsächlich in Frankreich. Falls Ihr sie probieren wollt: Am besten Didier anrufen und bestellen oder selbst vorbeifahren. Das ist in der Champagne ohnehin das Beste.