Marbella – Schweineohren bei Rocio
Es gibt diese Menschen, die einen von Anfang an begeistern. Dazu gehört Rocio. Klein, blonder Pferdeschwanz und berstend voll mit Energie. So steht sie vor uns in der Bodega de la Fonda in Marbella. Ein kleines Weinlokal, das es erst seit ein paar Monaten gibt. Wir haben den Tipp von einer Bekannten bekommen und waren erstmal skeptisch. Denn Marbella ist auf den ersten Blick nicht schön. Es liegt an der Südküste Spaniens, zwischen Ferienhaussiedlungen, Hotelanlagen und Shopping Malls. An der Küste verläuft die Schnellstraße, die Autos fahren fast am Strand entlang.
Marbella ist nur dort schön, wo es alt ist.
Doch im Inneren Marbellas verbirgt sich eine hübsche Altstadt. Gepflasterte Gassen, weiße Häuser mit leuchtend gelben oder blauen Fensterläden, Blumen und Orangenbäume. Auf der Plaza Santo Christo gleich neben der kleinen Kirche finden wir die Bodega, eingerahmt von zwei Palmen. Tische und Stühle sind aufgestellt, wir setzen uns in die Novembersonne und blättern in der Karte. Und treffen Rocio. „Ich mache cocina de la abuela“, sagt sie. Hausmannskost, wie sie in Spanien seit Jahrhunderten üblich ist. Es gibt nicht irgendeine Tortilla, sondern la reina del Tortilla, die Königin des Kartoffelomelettes, jeder Biss eine Reise ins Paradies. „Klar,“ lacht Rocio, „meine Tortilla ist die beste hier.“ Sie empfiehlt uns ihre Croquetas, die sie alle selbst herstellt, „und dann müsst Ihr Rabo del Toro essen. Stierschwanz. Ein Gedicht.“ Wir blicken uns an. Stierschwanz? Echt? Kann man den überhaupt mit gutem Gewissen essen?
Marbellas neuer kulinarischer Geheimtipp. Also pssst!
Wenig später beißen wir in knusprige Kroketten und haben den Stierschwanz vor uns stehen, eigentlich ein Gulasch, das Fleisch stundenlang am Knochen in Rotwein geschmort. Dazu Auberginen und hausgemachte Patatas. „Bueno, oder?“ Rocio steht wieder neben uns und erzählt. Sie hat jahrelang in der Markthalle um die Ecke gekocht. Ihr Stand war immer voll. Denn die Leute freuten sich über die Küche ihrer Kindheit, für die sich heute kaum einer mehr Zeit nimmt. Als einer ihrer Stammkunden auf der Plaza Santo Christo ein Hotel eröffnete, fragte er Rocio, ob sie nicht die dazugehörige Bodega übernehmen könne. Und Rocio sagte mit Freuden zu. Seitdem ist sie hier.
Das rechts ist der Stierschwanz. Und das ist Fleisch in einer äußerst leckeren Form.
„Komm“, sie winkt mich in die offene Küche. In einem Kasten liegen seltsame große Fleischstücke. „Schweineohren,“ grinst Rocio. „Die gibt es nur bei mir.“ Ich frage, ob ich ihr mal beim Kochen helfen darf. Ich darf.
Nose to tail in konsequenter Form. Rocio präsentiert Schweineohren.
Am nächsten Tag gießt es in Strömen, die Straßen sind wie leergefegt. Rocio erwartet mich schon. Während sie Zwiebeln und Auberginen klein schneidet , erzählt sie. „Ich habe noch nie ein Rezept aufgeschrieben. Alles Intuition.“ Wir kochen Knoblauchsuppe, frittieren Stockfisch und schließlich verrät sie mir das Geheimnis der besten Tortilla. Das ist gar nicht so schwer. Zehn Kartoffeln klein schneiden, in Olivenöl frittieren, dann zwölf Eier(!) verquirlen und die ganze Masse in einer Pfanne braten. Rocio wendet sie vorsichtig, dann serviert sie die Tortilla. Ein Gedicht. Rocio strahlt: „Wer einmal bei mir war, kommt immer wieder.“ Und das ist wirklich wahr.
So geht Tortilla!