Wein vom Vulkan
“Für einen Vulkanwinzer kann jeder Arbeitstag der letzte sein” - gut, das ist nun etwas melodramatisch ausgedrückt von Simone Foti, im Grunde aber richtig. Simone ist der ältere von zwei Söhnen von Salvo Foti und kümmert sich um die Arbeiten in den Weinbergen.
Vom Weingut aus ist der immer rauchende Ätna gut zu sehen. Als wir Simone besuchen, ist der mehr als 3.400 Meter hohe Gipfel des Vulkans mit Schnee bedeckt. Die Carabinieri haben die Gipfelzone weiträumig abgesperrt, niemand darf hinauf. Andauernd erschüttern kleine Explosionen die oberen Regionen des Ätna. Im Italienischen “die Ätna”. “Die Ätna ist für uns weiblich”, sagt Simone. “Sie ist wie eine sizilianische Frau, feurig und nicht immer gut gelaunt.”
Heute hat die Dame Ätna einigermaßen gute Laune. Das kann sich rasch ändern.
Würde sich nun ein großer Ausbruch ankündigen, entginge das den Vulkanologen nicht, die den Berg beobachten. Simone könnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. “Aber wenn was runterkommt, dann sind wir hier genau in der Schusslinie”, sagt er.
Der Ätna kann jederzeit ausbrechen
Mir ist nun doch etwas mulmig zumute, als ich Richtung Gipfel blicke. Zum einen ist das natürlich einfach gutes Storytelling. Zum anderen hat das aber handfeste Auswirkungen auf die Weine der Fotis, besonders auf die, deren Reben hier im Örtchen Moli wachsen.
Wir stehen mit Simone am Rande der Reben. Auf breiten Terrassen wachsen hier neun- bis zehntausend Stöcke auf einem Hektar. Die Anbaumethode nennt sich Alberello und ist in Süditalien verbreitet. Bei ihr wird jeder einzelne Rebe von einem Pfahl aus Kastanienholz gestützt - das ist aufwändig, weil jeder Arbeitsschritt von Hand gemacht wird. “Deshalb macht bei uns ein Hektar so viel Arbeit wie 12, die du mit der Maschine bearbeiten kannst”, sagt Simone.
Der Humus am Ätna ist vermischt mit Steinen und Asche vom Vulkan. Das macht den Boden sehr besonders.
Ein wichtiger Teil eil des Erfolgs der Ätna-Weine sind die Rebsorten: Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio für die Rotweine sowie Carricante und Minella für die Weißweine. Diese alten, oft wurzelechten Sorten wachsen ausschließlich am Ätna. Teilweise sind die Reben mehr als 200 Jahre alt. Obwohl sie nicht mit den renommiertesten Rebsorten der Welt vergleichbar sind, gedeihen sie mit der richtigen Pflege auf diesen vulkanischen Böden zu einem ganz eigenen Geschmackserlebnis – präzise und von höchster Qualität.
Terroir made by Ätna
Simone kniet sich hin und nimmt etwas Boden in die Hand, er zerbröselt zwischen seinen Fingern - kleine Steinchen und schwarze Asche, direkt aus dem Krater. “Alles, was der Ätna ausspuckt, landet hier. Und dadurch ändert sich der Boden, ändert sich das Terroir”, sagt Simone. Es ist genau dieser Boden rund um den Vulkan und das Klima, die warmen Tage und kühlen Nächte, die die Weine so einzigartig machen. “Mineralisch schmecken sie, leicht salzig, sind frisch und kühl”, sagt Simone. Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Weinbau am Ätna in Vergessenheit geraten, kaum einer machte noch Wein dort. Zu kompliziert, die modernen Methoden ließen sich nicht auf den Ätna übertragen. Doch dann merkten einige wenige Pioniere, wie Salvo Foti, der Vater von Simone, was für einzigartige Weine auf dem Vulkan entstehen können. Durch Handarbeit und durch viel Liebe. Inzwischen haben sich nahezu alle großen Weingüter Italiens Rebflächen am Ätna gesichert.
Simone Foti erklärt Anna wie das Weinmachen in einem Palmento funktioniert. Die hört begeistert zu.
Wir gehen ein paar Schritte zur Kelter. Natürlich haben die Fotis einen modernen Weinkeller, in dem alles blitzt und blinkt, Edelstahl und feine Holzfässer stehen. Der Weg dorthin aber führt durch ein Palmento. Ein Palmento ist ein traditionelles Kelterhaus. Es steht meist direkt neben den Weinbergen eines Winzers, dann hatte der bei der Lese die Trauben nicht weit zu transportieren. Es gibt noch viele dieser alten Palmentos. Sie verfallen oder werden umgebaut. Nur bei den Fotis nicht, sie nutzen das Palmento nach wie vor zum Weinmachen. Weine so zu keltern ist in Italien schon lange verboten. Warum? “Hygieneregelnn der EU, man muss nicht alles verstehen”, sagt Simone und zuckt mit den Schultern. Dann grinst er. “In Italien muss man nicht alles verstehen. Aber man muss sich auch nicht an alles halten.” Die Fotis machen nämlich schon seit vielen Jahren einen Rotwein hier im Palmento. Das ist allgemein bekannt, es stört sich jedoch keiner daran. Wir sind schließlich in Italien.
Weinmachen wie zu Großvaters Zeiten, ohne Strom. Die Presse wird mit Muskelkraft betrieben.
Die Verarbeitung der Trauben funktioniert hier ohne Maschinen, ja gänzlich ohne Strom. Erst werden die Trauben mit den Füßen gestampft. Dann fließt die Maische, dieser Matsch aus Saft, Beeren und Kernen durch eine steinerne Rinne in ein Becken, wo sie dann gärt. Gepresst wird sie dann später mithilfe einer von zwei Männern bewegten Presse, die an einer gigantischen Spindel befestigt ist.
Die Weine vom Ätna sind besonders
An einer kleinen Bar öffnet Simone die Weine, einen nach dem anderen. Wir kosten uns quer durch das Sortiment und sind begeistert. Die Weine sind allesamt sehr individuell, mitunter etwas struppig mit Ecken und Kanten. Allen gemein ist eine feine Salzigkeit, etwas, das in der Weinsprache gerne als mineralisch beschrieben wird.
Wir kaufen einen Kiste und ich überlege schon, was ich am besten dazu kochen werde. Wir verabschieden uns herzlich von Simone und machen uns auf den Weg zum Auto. Aus dem Augenwinkel schiele ich zur Dame Ätna empor. Sie raucht.