Salvatore Romano - Der mit dem Meerwasser kocht
Reisen ist schön, wenn man die richtigen Leute trifft: Salvatore Romano kennt die sizilianische Küche wie kein Zweiter. Er ist ein Kreativer der Foodbranche. Ein Connaisseur und ein wunderbarer Geschichtenerzähler. Wir lernen ihn in Graniti kennen. Das Dorf liegt im Alcantara-Tal und ist berühmt für seine bemalten Hauswände, die murales. Streetart-Künstler aus der ganzen Welt bewerben sich, um hier im Sommer eine Hauswand bemalen zu dürfen.
Salvatore Romano vor einer der berühmten bemalten Hauswände von Graniti. Ohne seine Arbeit sähe das Dorf anders aus.
„Wir sind mit unseren 42 Wänden das Chicago Siziliens”, sagt Salvatore und lacht. Er organisiert das Festival jeden Sommer zusammen mit seiner Frau Karin. Wir sitzen in einem der Dorfcafés, ein paar Tische, ein paar Stühle, schwarzer Kaffee in kleinen Tassen. Salvatore spendiert eine Runde Dolci, gefüllt mit Pistaziencréme und Schokolade und erzählt. Geboren wurde er in Graniti, aufgewachsen ist er in der Schweiz. Schon immer träumte er davon, Koch zu werden, lernte aber einen anderen Beruf. 2004 erkrankte er so schwer, dass er ins künstliche Koma versetzt wurde. Als er wieder aufwachte, wusste er: Jetzt oder nie.
Essen und Salvatore, das gehört einfach zusammen.
Er machte eine kleine Bar in der Schweiz auf, dann einen Feinkostladen. Immer mit dem Ziel, die sizilianischen Köstlichkeiten in aller Welt bekannt zu machen. Unter anderem vertreibt er Meerwasser. Im Ernst. „Früher haben alle an der Küste mit Meerwasser gekocht. Kinder wurden mit einem Kochtopf losgeschickt, um das Wasser für die Pasta zu holen“, sagt er. Das ist in Vergessenheit geraten. Dabei enthält Meerwasser neben Wasser und Salz mehr als 50 Mineralien. Die wirken wie ein natürlicher Geschmacksverstärker. Viele Sterneköche wissen das und nutzen Salvatores Meerwasser, das er in großen Kanistern verkauft. Es wird 14 Meilen vor der Küste aus dem Meer gepumpt und in einem aufwändigen Prozess gereinigt.
Wir probieren seine in Meerwasser eingelegten Datteltomaten. So was haben wir noch nie gegessen. Die Aromen der Tomaten sind frisch und herzhaft. Sie schmecken nach Meer. Die Kinder sind begeistert und betteln, um noch eine zu bekommen.
Mittlerweile lebt Salvatore mit seiner Frau dauerhaft in Graniti. Sie kennen jeden hier und wissen, wo es die besten Lebensmittel gibt. Zum Beispiel ein paar Dörfer weiter in Castiglione di Sicilia bei Giuseppe Camuglia. Er betreibt in vierter Generation die Käserei Alcantaraformaggi und ist einer der wenigen in ganz Italien, der ausschließlich Rohmilch verarbeitet. In seinem Laden schneidet er für uns einen Käse nach dem anderen an und lässt uns probieren. Gebackener Ricotta-Käse mit einer gebräunten Kruste, Ziegenkäse in Bienenwachs und Trinacria, der aus Kuh-, Ziegen und Schafmilch besteht und eine ähnliche Konsistenz hat wie Parmesan - die Einheimischen sagen, er schmecke sogar besser.
Salvatore und Giuseppe erklären Fine, Lotti und Jakob wie man einen Provola formt.
Dann nimmt Giuseppe uns mit in seine Produktionsräume. In großen Kesseln schwappt die Molke, er taucht die Hände hinein und holt die Käsemasse heraus. Jetzt sind die Kinder an der Reihe. Sie dürfen selber einen sizilianischen Provola formen. Begeistert kneten sie den Käse, bis er die Form einer Birne hat. „Das fühlt sich so seidig an,“ schwärmt Josefine und steckt sich ein Stückchen in den Mund. Die drei fertigen Provolas nehmen wir mit, ebenso frischen Ricotta und Trinacria.
Dann zeigt Salvatore uns sein neuestes Projekt: Eine Destillerie. Salvatore will verschiedene Obstbrände und Schnäpse auf den Markt bringen - natürlich nur mit sizilianischen Zutaten - unter anderem aus den berühmten Kirschen Granitis, die besser sein sollen als irgendwo sonst.
Salvatore erklärt Anna, was Sache ist - und sie hat Spaß dabei.
Der Höhepunkt ist ein Festmahl bei ihm und seiner Frau Karin zu Hause. Er bereitet es zusammen mit Catena zu, die im Hauptberuf die Friseurin des Dorfes ist. Ihr Herz schlägt aber fürs Kochen. Sie rührt und wendet, schmeckt ab und salzt nach - immer ein Lächeln im Gesicht. Bereitwillig lässt sie mich in alle Töpfe gucken. Es duftet und blubbert. Jedes Dorf hat eigene Rezepte und Traditionen, erzählt sie. Die große Tafel ist gedeckt mit Antipasti. Verschiedene Käse von Giuseppe Camuglia, dazu selbstgemachte Blutorangenmarmelade, Salami vom schwarzen Schwein aus dem sizilianischen Nebrodi-Gebirge, Schwertfisch leicht angebraten mit Salzkristallen.
Catena. Von Beruf Frisuerin, im Herzen Köchin.
Wir trinken Wein vom Ätna. Dann gibt es gefüllte Artischocken mit Mollice, einer sizilianischen Variante der Semmelbrösel. Wir sind schon gut gesättigt, dann trägt Catena die Pasta auf. Schwertfisch, Tomaten, Artischocken. “Lecker”, ruft Josefine laut. “Lecker, lecker, lecker.” Das versteht auch Catena und freut sich. Der Hauptgang ist Degenfisch mit insalata di arance, Orangensalat. Und es folgen noch drei Desserts. Am Schluss applaudieren alle und rollen glücklich nach Hause.
Danke Karin, danke Salvatore!