Polnischer Wein und andere Köstlichkeiten
Martin ist cool. Er ist genauso alt wie wir und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, macht er es einfach. Wie sein Weingut Przybysławice. Schon immer hat er gerne Wein getrunken, auf einer Reise durch die Toskana und die Abruzzen beschloss er 2013 selbst Wein zu machen. Er pflanzte auf einem halben Hektar Reben. Das nötige Wissen brachte er sich selbst bei.
“Na zdrowie” heißt Prost auf Polnisch. So viel haben wir inzwischen gelernt. Martin präsentiert uns seinen äußerst gelungenen Pet Nat.
“Learning by doing,” grinst er. Sein Weingut ist ein lässiges Paradies für Naturweinliebhaber und liegt liegt nicht weit entfernt von Krakau in einem kleinen Dorf. Unsere Kinder verschwinden sofort im selbstgebauten Baumhaus. Foodguide Szymon begleitet uns auch an diesem Tag. Wir Erwachsenen streifen durch das hohe Gras. Martin verzichtet auf alle Spritzmittel und macht den Wein mit so wenig Eingriffen wie möglich. Dabei setzt er auf Piwis. Pilzresistente Sorten. Regent, Cabernet Cortis für Rotweine sowie Solaris, Seyval Blanc, Johanniter, Souvignier Gris und Hibernal für Weißweine. In Martins Holzlaube probieren wir seine Pet Nats. Sie schmecken nach Sommer, leicht, würzig, verspielt. Mehr davon bitte. “Klar”, sagt Martin und führt uns in seinen Weinkeller, einen kleinen Verschlag. Er füllt uns eine Kiste, für die wir in unserem vollen Kofferraum noch ein Plätzchen freischaufeln.
So natürlich wie möglich ist Martins Dewise fürs Weinmachen. Überall grünt und blüht es.
Leben kann Martin von den 4000 Flaschen, die er im Jahr macht, noch nicht. Doch er hat viele Pläne. Er möchte weitere Reben pflanzen und bald sollen zwei Ferienwohnungen fertig sein für Gäste.
Ein paar Dörfer weiter liegt das Weingut Winnica Słońce i Wiatr. Wunderschön, alles blüht und gedeiht. An der Tür steht Kasia, die das Weingut zusammen mit ihrem Mann Jacek betreibt. Er war einst der beste und bekannteste Kletterer Polens, sie ebenso fasziniert von Fels und Berg - die beiden haben sich bei einer Expedition kennengelernt.
Das Weinmachen brachte Kasia sich selbst bei. Mit Erfolg. Die 10.000 Flaschen, die sie pro Jahr macht, sind sehr begehrt.
“Und was macht man nach einer Bergtour? Man trinkt Rotwein.” sagt Kasia. “Damit fing alles an.” 2011 beschloss das Paar, seine Leidenschaft für den Wein zum Beruf zu machen. Es kaufte Land, pflanzte Reben und macht mittlerweile 10.000 Flaschen im Jahr. Alles biologisch. “Ich will den besten Wein machen,” sagt Kasia, “das war immer der Antrieb.”
Sie öffnet zwei rote Schaumweine, beide hergestellt nach der Méthode Merret. Der englische Wissenschaftler Christopher Merret hat sie 1662 beschrieben. Dem Wein wird Zucker hinzugefügt und er beginnt, in der Flasche erneut zu gären, wodurch Kohlensäure entsteht. Also wie beim Champagner oder deutschem Winzersekt. Kasias Schaumweine sind knochentrocken, schmecken nach dunklen Früchten und etwas Salz. Wir mögen das sehr.
Abgefahren - dieses Wort beschreibt Kasias Weine am besten. Patrick gefällt’s.
Ist das für Kasia der beste Wein? Kasia lacht. “Mittlerweile denke ich, ich weiß, dass ich nichts weiß.” Egal, wir nehmen eine Kiste mit.
Jetzt haben die Kinder keine Lust mehr auf Weingüter. Und wir fahren zum Mittagessen in den Ojców Nationalpark. Das ist der kleinste Nationalpark in Polen und richtig schön mit seinen Schluchten, weißen Kalksteinfelsen, Burgen und Wäldern. Viele Forellenteiche gibt es hier.
Am berühmtesten ist die Forellenfarm Pstrąg Ojcowski von Magda Węgiel und ihrer Tochter Agnieszka Sendor, die wir besuchen. Es regnet in Strömen, als wir ankommen. An einem der Teiche steht ein Foodtruck, davor Tische und Bänke unter Schirmen. Agnieszka bringt geräucherte Forelle, dazu frisches Sauerkraut und Gurken. Für Jakob gibt es Piroggen gefüllt mit Fisch. “Damit die Kinder auch lernen, dass Fisch etwas Gutes ist", sagt Agnieszka.
Die Forellen von Agnieszka Sendor und ihrer Mutter sind inzwischen in ganz Europa bekannt. Bessere sind nur schwer zu bekommen.
Sie zeigt auf die Teiche. “Die erste Forellenzucht gab es hier schon 1935.” erzählt sie. “2014 sollten die nicht mehr genutzten Teiche zugeschüttet werden. Meine Mama war empört.”
Obwohl in komplett anderen Jobs, beschlossen Agnieszka und ihre Mutter, die Teiche zu pachten und die Bachforellen wieder zu züchten. Das war nicht leicht. Die Ojców-Forelle war fast ausgestorben. Doch die beiden schafften es..
“Die anderen Züchter fanden das nicht lustig", sagt Agnieszka. “Vor allem die Männer. Bis heute sagen sie, das ist nichts für Frauen.” Was für ein Irrtum. Agnieszka und ihre Mutter sind mittlerweile im ganzen Land für die Forellenzucht bekannt und haben Auszeichnungen erhalten. Die Polen pilgern regelrecht hierher, um einmal diese Forelle zu essen.
Frisch aus dem Rauch und ab auf den Teller. Lecker!
“Bei uns werden die Fische drei Jahre alt, bevor wir sie fangen. Im Supermarkt gerade mal ein paar Monate.” Den Unterschied schmecken wir deutlich. Die Forelle ist zart und saftig zugleich. Köstlich
Und dann ist da noch Piotr, den wir in Dębnik bei Krzeszowice auf seinem Bauernhof besuchen. Er stellt sich uns als Peter vor. Ein langhaariger Mann mit freundlichen Augen und einem T-Shirt auf dem Anarchie steht. “Anarchie ist für mich absolute Freiheit,” sagt er. “Auf meinem Hof kann ich machen, was ich will.” Piotr und seine Frau haben eine eigene Jersey-Rinderzucht, machen Käse, eigenes Öl und haben ein Gestüt. Wir laufen über den Hof, zwei Kälber stupsen uns an. Hühner gackern. Und zwei Hunde wollen gekrault werden.
Piotr überreicht uns ein Stück Käse. Er hat sich alles selbst beigebracht.
Piotr öffnet eine unscheinbare Holztür, dahinter ist sein Heiligtum. Ein sehr gemütlicher Raum mit Holzbänken, Teppichen, Kunst an den Wänden. Es gibt Kaffee und selbstgemachtes Panna Cotta mit Himbeerkompott. Die Kinder machen sich vor allem über die Himbeeren her.
Piotr arbeitete früher in Deutschland für einen großen Chemiekonzern. Dann wurde er krank und beschloss, endlich das zu machen, wovon er träumte. Er kaufte ein Stück Land, baute ein Haus, holte Rinder und fing an, als Farmer zu arbeiten. “Man lernt mit der Zeit,” sagt er. Wenn Kälber geboren werden, schläft er bei ihnen. “Damit sie mich als Papa akzeptieren.”
Als wir abfahren, nehmen wir Käse mit, selbstgebackene Plätzchen und hausgemachtes Walnusseis.
Foodguide Szymon hat uns wieder den ganzen Tag begleitet und wir hatten jede Menge Spaß.