Krakau - und am Abend sind wir satt

Es war eine gute Idee, auf das reichhaltige Frühstücksbuffet des Hotels an diesem Morgen zu verzichten. Denn schon bald hat Szymon die erste Station des Tages geplant. Die ganze Familie mag unseren Foodguide sofort. Szymon ist groß, schlank, fast schon schlaksig, und lächelt eigentlich immer.

Auch die Kinder grinsen fröhlich, als Szymon ihnen eröffnet, dass wir an diesem Tag nicht alles laufen, sondern viel Straßenbahn fahren werden. Besonders Jakob, der kaum etwas anderes kennt als unser ehemaliges kleines, bayerisches Dorf.

Szymon Gatlik

Alle lieben Szymon. Ohne ihn wüssten wir nicht, was es in Krakau alles Leckeres zu essen und zu trinken gibt.

Los geht’s im Żywe Muzeum Obwarzanka, im lebendigen Bagel-Museum. Hier backt Martha das kulinarische Wahrzeichen von Krakau, denn das Obwarzanek darf nur in der Stadt hergestellt werden. Das bagelartige Gebäck ist uralt. Das Rezept stammt von 1394. Zwei ineinander verdrehte Teigstränge werden zehn Sekunden in kochendes Wasser gelegt, bevor sie entweder pur oder mit Salz oder Körnern bestreut gebacken werden. Martha füllt eine Tüte mit frisch gebackenen Obwarzanka. “Jeder hier in Krakau isst sie. Zum Frühstück oder einfach zwischendurch.” sagt sie. Sechs Bäckereien in Krakau fertigen jeden Tag von Hand 120.000 Stück davon. Draußen beißen wir neugierig hinein. Ich persönlich mag die mit Salz am liebsten - obwohl Sesam auch nicht schlecht ist. Und die mit Mohn mit Sicherheit auch nicht zu verachten sind…

Anna Hemminger in einer Bäckerei in Krakau

Obwarzanka, die krakauer Form der Brezel. Uns schmeckt’s! Martha (l.) erklärt Anna, was es damit auf sich hat.

Darüber nachdenkend folgen wir Szymon auf den Stary Klepaz. Das ist der älteste Markt Krakaus. “Hier am Eingang sind die Hipster”, sagt Szymon und deutet auf ein Café, wo junge Menschen in der Sonne sitzen. “Hinten sind die Stände, da ist es ursprünglicher.” Wir folgen ihm durch überdachte Gänge vorbei an einigen Metzgereien, wo die Würste von der Decke baumeln. 

Ein traditioneller Markt in Polen, in Krakau

Stary Klepaz: So kaufen wir am liebsten ein.

Bald werden die Gänge schmaler, links und rechts sind Tische aufgebaut auf denen sich Obst und Gemüse türmen. Jakob zeigt auf die frischen Erd- und Blaubeeren, Szymon kauft sofort ein. Dann stehen wir vor der Weinbar Dzikie Wino Na Kleparzu. Die Kinder bleiben draußen, essen Erdbeeren und beobachten das Treiben. Wir gehen hinein. Hinter dem Tresen steht Kate. Sie hat Gläser und Flaschen vorbereitet. Polnische Flaschen. 

Eine junge Frau vor polnischen Weinflaschen

Polnische Pullen: Kate gibt uns eine Kostprobe polnischer Weine

Es ist die einzige Bar, in der es nur polnischen Wein gibt. Und das zu erstaunlichen Preisen. Keine Flasche kostet weniger als 100 Zloty, das sind immerhin 25 Euro. Das Weinmachen war in Polen so gut wie ausgestorben. Im Mittelalter hatten die Mönche zwar Wein gemacht, doch dann kam die kleine Eiszeit, das Klima veränderte sich, so dass kaum einer mehr Reben pflanzte. Eher Kartoffeln und Getreide. Im Sozialismus gab es dann sowieso keinen Wein mehr. “Der galt als elitär,” erzählt Szymon. Erst nach dem Fall des eisernen Vorhangs ging es langsam wieder los. Und der große Boom setzte 2012 ein. Es gab wieder Winzer, doch die mussten sich das ganze Equipment, das man zum Weinmachen so braucht, neu anschaffen. Sogar die Reben. “Das ist teuer”, sagt Szymon. “Deswegen die Preise.”

Patrick Hemminger und Szymon Gatlik

Szymon erklärt uns den polnischen Wein.

Wir trinken einen knochentrockenen Cidre (geil), dann einen sehr anständigen Riesling und schließlich die wahre Spezialität Polens, Piwis. Kurz erklärt: Das sind neugezüchtete Rebsorten, die weitgehend resistent sind gegen Krankheiten im Weinberg. Wir trinken also Seyval Blanc, Johanniter, Solaris und Rondo. Und das mit wachsender Begeisterung. Einzig ein etwas über den Gaumen rumpelnder Zweigelt mag nicht recht überzeugen, sonst ist das alles schon sehr gut.

Die Kinder haben die Beeren aufgegessen und drängen uns zum Aufbruch. Ist ja gut, wir kommen schon.

Auf den nächsten Stopp freuen sich die Kinder besonders, denn er wird süß. Wir besuchen die Konditorei Cichowscy. “Die Kuchentradition in Polen kommt aus Österreich”, sagt Szymon und trägt einige kleine Teller zu uns an den Tisch. “1795 eroberte Österreich diesen Teil des Landes, es kamen Beamte, Soldaten und Politiker hierher. Die wollten den Geschmack von zuhause, die wollten Schnitzel mit Kartoffelsalat und natürlich Kaffeehäuser.” Wir probieren Pischinger Torte, ein Ungetüm aus geschichteten Keksen und Schokolade, Cremeschnitte, die aß der ehemalige Papst Johannes Paul der Zweite so gerne. Pączki, polnische Berliner, und zahlreiche weitere Teilchen. Lecker. Trotzdem fühle ich mich etwas Uff! als wir den Laden verlassen.

Kinder und ein Mann mit einem Teller voller Süßigkeiten in Polen, Krakau

Die Kuchentradition Polens kommt aus Österreich. Geschichtsunterricht, wie die Kinder ihn lieben.

Auf zum Mittagessen! Das nehmen wir auf dem Judah Food Market zu uns, und zwar bei Andrus Food Truck. Die Mahlzeit nennt sich Maczanka po Krakowsku und ist im Prinzip Schwein in Brot. Aber damit wird man dieser Köstlichkeit nicht gerecht. Also: stundenlang bei niedriger Temperatur gegrilltes Schweinefleisch verwandelt sich in butterzartes Pulled Pork. Das kommt in aufgeschnitte Sauerteigbrötchen, dazu diverse den Geschmack verfeinernde Dinge wie saure Gurken, Zwiebeln, Käse und und und. Ganz wichtig: Soße, viel Soße. Das macht das Essen zu einer Herausforderung. Im Prinzip gibt es nur eine Position. Ellbogen auf die Knie und weit vorgebeugt. 300 Jahre alt ist dieses Gericht. Einst war es ein Essen für die Droschkenfahrer, die den ganzen Tag unterwegs waren und etwas brauchten, das lange anhält. Angeblich ist die Maczanka  der Uropa des Hamburgers, von polnischen Auswanderern, nach Amerika gebracht. 

Anna Hemminger isst eine polnische Spezialität

Ganz wichtig: Beim Essen vorbeugen.

Auf dem Weg ins Hotel kommen wir noch bei Lody vorbei, der einzig wahren Eisdiele Krakaus, sagt zumindest Szymon. Der Besitzer hat sie vor mehr als einem halben Jahrhundert eröffnet und führt sie immer noch. Sein Ziel ist es, den Geschmack der Zutaten möglichst unverfälscht in die Waffel zu bringen. So schmeckt das Kaffeeeis wirklich nach Kaffee, das Blaubeereis nach Blaubeeren. 

Patrick Hemminger isst ein Eis

Das beste Eis Krakaus? Das beste Eis Krakaus!

Nun brauchen wir dringend eine Pause. Denn zum Abendessen werden wir erwartet. Das Noah liegt um die Ecke unseres Hotels und ist eine kleine Sensation. Das liegt zum einen an dem herrlichen polnischen Gewürztraminer, die uns die freundliche Bedienung in die Gläser schenkt. Zum anderen an dem Konzept: mit lokalen Zutaten Gerichte aus dem Mittelmeerraum zu interpretieren und viele kleine Teller in die Mitte des Tisches zu stellen. Junger Kohl mit Dill und Butter, Kohlrabi mit Limette und Chili, Wildkräutersalat, frisch gebackenes Pita und eingelegtes kleines Gemüse. Jeder probiert alles. Sogar die Kinder. Und dann sind wir wirklich satt. Wundervoll.


Disclaimer: Das Referat für Tourismusmarketing der Stadt Krakau hat uns für diese Tage in der Stadt eingeladen. Übernachtungen, Essen und Stadtführungen wurden bezahlt.

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Krakau - Königshügel und Drachenfeuer