Albanien - gestrandet in der Millionenstadt Tirana
Wir sind aufgeregt. Zum ersten Mal auf unserer Reise müssen wir durch Grenzkontrollen. In Frankreich, Spanien und Italien haben wir oft gar nicht gemerkt, dass wir plötzlich in einem anderen Land waren. Jetzt schon, die griechischen Grenzbeamten wollen bei der Ausreise alle Pässe sehen. Sogar die Kinder müssen aussteigen. Dann geht es über die albanische Grenze. Die Beamten in blauen Uniformen begrüßen uns herzlich und wünschen eine angenehme Fahrt.
Unsere erste richtige Grenze. Die Kinder haben in Europa so etwas noch nie gesehen und sind erstaunt und aufgeregt: “Warum gibt es so etwas?”
Das war ja entspannt, alle im Auto atmen auf. Bis wir merken, dass die Handys nicht mehr funktionieren. Ach ja, da hatte ja was im Kleingedruckten gestanden. Unser Telefonanbieter deckt Albanien nicht ab. Was das in der Realität bedeutet, war uns nicht klar. Nach dem Tanken geht Google Maps nicht mehr. Wir können keine Hörspiele mehr hören und fahren mit dem uralten Navi im Auto, das wir seit Jahren nicht mehr upgedatet haben. Es leitet uns durch kleine Dörfer, vorbei an Pferdekarren, Eseln und erstaunlich vielen dicken Autos.
Da oben wohnen wir!
Am Nachmittag kommen wir in Tirana an, der Hauptstadt von Albanien und sind komplett verloren. Unser Stadtviertel ist eng und verwinkelt. Wir finden das Apartment nicht, wir können den Vermieter auch nicht anrufen. Was tun? Ratlos stehen wir mit Rucksäcken und Koffern in der Rruga Ymer Kurti, der Straße, die wir uns notiert hatten. Da eilen aus der nahegelegenen Taverna Peshkatari zwei Kellner: “Wie können wir euch helfen?", fragen sie auf englisch. Sie geben uns den Zugangscode für ihr Wifi, sie suchen mit uns die Straße, sie rufen den Vermieter an. Der eilt herbei und führt uns zum Apartment. Freundlicher können die Menschen nicht sein.
Auf geht’s, die Stadt erkunden.
Das merken wir sofort. Die Jungs in der Tiefgarage, die auf unser Auto aufpassen, grüßen uns wie alte Freunde. Beim Bäcker bekommen wir besseren Kaffee als in Italien und im Supermarkt kommt die Verkäuferin hinter dem Kaçkavall (albanisch für Käse) hervor und sucht mit uns albanisches Bier. Wir finden eines aus dem Kosovo. Das schmeckt auch gut.
Und dann lernen wir Françesco kennen, der mit uns eine Walkingtour durch Tirana macht. Er ist eigentlich Jurist, die Führungen macht er als kleinen Nebenverdienst. Françesco spricht perfekt deutsch. In Albanien gab es kurz nach der Wende nur wenige albanische Fernsehsender, also guckten Françesco und seine Schwester deutsches Fernsehen, genauer gesagt Zeichentrickserien. Und auf einmal sprachen die beiden deutsch.
Wir fragen und fragen - und Françesco hat auf alles eine Antwort.
Die Eltern kannten die Sprache nicht, sie dachten, mit ihren Kindern sei etwas nicht in Ordnung, brachten sie zum Arzt. Der lachte und sagte: Keine Sorge, die Kinder sind nicht krank, sie haben nur deutsch gelernt.
Françesco nimmt sich alle Zeit der Welt für uns. Er zeigt uns den riesigen Skanderbeg Platz, das Zentrum der Stadt. Jede Bodenplatte kommt aus einer anderen Gemeinde Albaniens. Wir schlendern über den Basar, wo alte Herren köstliche Oliven und Kräuter verkaufen, entdecken die alte Burganlage und die größte Moschee Europas. Zu jedem Ort hat er eine Anekdote und nach fast drei Stunden fühlt es sich an, als ob wir alte Freunde wären.
Tirana von oben ist noch schöner, hier der riesige Skanderbeg Platz.
Am Mittag finden wir ein herrliches Restaurant, das Piceri Era, in dem traditionelle albanische Küche angeboten wird. Verschiedene Meze, Fingerfood zum Teilen, Baccare von Përmet, gefülltes Fladenbrot mit Schafskäse, Dollma von Großmutter gemacht, Weinblätter mit Reis und Minze dazu Eier-Zitronensauce und Tiranas traditionelle Casserole, ein Tontöpfchen mit Kalbsinnereien. Die Kellner im Anzug lächeln uns an und bringen den Kindern drei Pizza Margherita, groß und knusprig. Italien hatte schon immer einen großen Einfluss auf Albanien. Aus purer Begeisterung gehen wir zwei Tage später nochmal hier essen.
Gleich um die Ecke unserer Unterkunft liegt ein herrlicher Park. Der Spielplatz ist der größte unserer Reise. Die Kinder wollen gar nicht mehr weg. Obwohl die Stadt riesig ist, gibt es überall schöne Ecken. Kleine Parks, Schaukeln und Wippen.
So hell, so leicht, so luftig. Wir sind hin und weg von der Schönheit der großen Moschee von Tirana.
Am letzten Tag besichtigen wir die große Moschee von Tirana. Sie ist die größte Moschee des ganzen Balkans und wurde 2024 als eine der schönsten der ganzen Welt ausgezeichnet. Das sagt zumindest der nette Herr am Eingang. Wir ziehen die Schuhe aus und treten ein. Die Kuppel ist 30 Meter hoch. Fine, Lotti und ich dürfen nur durch den Fraueneingang und bedecken unser Haar. Patrick und Jakob gehen durch die Haupttür. Innen ist blauer Teppich, an den Wänden prachtvolle Verzierungen. “Oh, ist das schön", flüstern die Mädchen. “Wie Gottes Wohnzimmer." Wir stehen und staunen und kommen zur Ruhe.
Tirana ist wunderbar.
Die Kinder sind beeindruckt von der Moschee und wollen alles über den Islam wissen. Patrick hat vor langer Zeit Islamwissenschaften studiert und versucht nun, sich zu erinnen.