Frauenpower in Carnuntum

Carnuntum, das klingt so gar nicht österreichisch. Der Name kommt von den Römern, die an der Donau eine Legion stationierten und eine Stadt bauten. Heute ist die Gegend vor allem für den guten Wein bekannt. Die Häuser in den Dörfern sind niedrig, stehen dicht an dicht an den Straßen, lassen keinen Platz für Grün. Wir treten durch ein hohes Tor, an dem der Name Netzl steht und vor uns öffnet sich ein weiter, grüner Innenhof, Franz Netzl und seine Tochter Tina begrüßen uns herzlich. “Die Dörfer hat man früher so gebaut, um sich zu schützen. Auf dem Weg nach Wien sind hier immer wieder feindliche Soldaten durchgezogen”, sagt Franz.

Patrick Hemminger und Winzern Tina Netzl vor einigen Flaschen Naturwein

Tina Netzl zeigt mir ihre Naturweine. Leider sind wir bei der Arbeit und nutzen die bereitgstellten Spucknäpfe.

Im Verkostungsraum gibt es für uns erstmal Mittagessen, Christine Netzl, Tinas Mutter, hat gekocht: Spargelcremesuppe mit Forelle und Rouladen mit Kartoffelröstis, Wurzelgemüse und Salat. Köstlich.

Da die Kinder danach auf Weinverkostung und Weinbergstour ungefähr genauso viel Lust haben wie auf eine spontane Stunde Matheunterricht, fährt Anna mit ihnen in die antike Ausgrabungsstätte von Carnuntum, wo ein ganzes römisches Stadtviertel samt Thermalbad rekonstruiert wurde. 

Winzern Tina Netzl in ihren Weinbergen

Da hat jemand Spaß bei der Arbeit: Tina Netzl in ihren Weinbergen.

Tina und ich probieren uns durch ihr Sortiment. Da sind zum einen ihre fantastischen Naturweine. “Bei ihnen lasse ich mich eher davon leiten, was für einen Stil ich machen möchte”, sagt sie. Etwa den wilden Orange oder den frischen roten Sommerwein Kühlbar. Bei diesen Flaschen steht der Name Christina prominent auf dem Etikett. Unter dem Label Netzl füllt sie ihre klassischen Weine ab, “bei denen betone ich die Herkunft und den Jahrgang”, sagt sie. Ihre wichtigste Rebsorte ist der Zweigelt. Von dem macht sie sechs unterschiedliche Weine. Warum, das zeigt sie mir bei einer Fahrt durch die Weinberge. “Jede Parzelle hat eine andere Ausrichtung, die Sonnenstrahlung ist anders, die Böden ändern sich leicht, der Wind weht unterschiedlich. Das schmeckt man.”

Kinder in einer römischen Küche in Carnuntum

So haben die Römer früher gekocht. Am Grundprinzip hat sich bis heute nichts geändert.

Zurück auf dem Weingut begrüßen mich die Kinder stürmisch. Begeistert berichten sie von ihrer Führung durch die alte Römerstadt. Besonders fasziniert hat sie das Essen: Nachtigallenzungen, Hahnenkämme oder sogar Wildschweineuter – Die wohlhabenden Römer haben hier prächtige Gelage gefeiert und beim Essen ordentlich zugelangt. Besonders extravagant war ein Gericht, das es in sich hatte: Ein Bär, prall gefüllt mit einem Schwein, darin wieder ein Lamm. Und in dessen Magen lebende Tauben. Drei Tage lang wurde der Bär gegrillt, und als die Zeremonienmeister ihn schließlich aufschnitten, flatterten die lebenden Tauben heraus. Gruselig. 

“The place to be” für Freunde des Weins und der Kulinarik. Klar, da müssen wir hin.

Wir fahren lieber in den Heurigen von Victoria Gottschuly Grassl. Die bäuerlichen Weinlokale gibt es in Österreich seit Jahrhunderten. Die Winzer haben oft nur in wenigen Wochen im Jahr geöffnet und bieten auf ihrem Hof Jungwein und eine herzhafte Brettljause an. Man könnte das auch als regionales Pop-up-Restaurant bezeichnen. Wir sitzen an Holztischen und genießen deftige Schinkenbrote, den Veltliner Teller und saure Blunzn – alles entweder selbst produziert oder aus der Umgebung. Der Heurige ist voll, um uns herum jede Menge junge Leute, die fröhlich Wein trinken. „Unser Weingut ist viermal im Jahr der Treffpunkt der ganzen Region. Alle fragen immer schon: 'Victoria, wann öffnest du wieder?‘,“ erzählt die junge Winzerin. Und das alles verlangt eine Menge Einsatz: Zehn Tage öffnen, vierzehn Tage Vorbereitung. „Ich liebe es.“ Wir auch. Es ist definiv “the place to be” an diesem Abend.

Anna Hemminger und Winzerin Victoria Gottschuly Grasl

Victoria Gottschuly Grassl (r.) ist von ganzem Herzen Gastgeberin.

Wir übernachten in den Gästezimmern des Weinguts Edelmann in Göttlesbrunn. Manfred Edelmann heißt uns mit einem Glas Sauvignon Blanc willkommen und plaudert mit uns über das Reisen, fremde Kulturen und die österreichische Küche. Einmal im Jahr, meist im Januar oder Februar, bricht er auf, um die Welt zu entdecken.  Am nächsten Morgen kocht er extra für die Kinder Kakao zum Frühstück, setzt sich zu uns, springt gleich wieder auf, um ein altes Kochbuch zu holen. Die österreichische Küche ist geprägt von vielen Einflüssen, slawische, polnische, ungarische. Das Habsburger Reich war groß.  Aus der Türkei kommt der Strudel, aus Böhmen die Knödel und das Wiener Schnitzel aus Mailand. Wieder haben wir etwas gelernt und brechen auf Richtung Polen.

Von dort soll übrigens die Kunst des Wurstmachens stammen.

Anna Hemminger, Manfred Edelmann und Patrick Hemminger im Innenhof des Weinguts Edelmann

Zum Abschied schenkt Manfred Edelmann uns eine Flasche seines besten Weins. Danke, lieber Manfred!

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Polen - Abenteuer zwischen Sauerkraut und Birkensaft

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