Österreich - Wir sehen Sterne

„Papa, die sind alle so freundlich hier“, wispert Lotti mir zu, als ein lächelnder Kellner den Kindern nach der Fahrt nach Feuersbrunn erstmal einen Saft serviert. Und tatsächlich ist es das, was als Erstes auffällt, wenn man sich in den Kosmos von Toni Mörwald begibt, den der Koch in den vergangenen Jahrzehnten hier in Wagram nordwestlich von Wien aufgebaut hat.

Anna Hemminger vor einem Michelin Stern

Durch einen derart geschmückten Eingang tritt man gerne.

Kein aufgesetztes Lächeln, keine professionelle Freundlichkeit. Jeder hier bringt uns echte Herzlichkeit entgegen, von der jungen Frau an der Rezeption über den Restaurantleiter, der uns am Abend bedient, bis hin zu der Dame, die den Kindern am nächsten Morgen Kakao zum Frühstück serviert. 

Als wir ankommen, lädt Toni Mörwald zum Gespräch in die Gaststube. Und wie ich es aus Österreich kenne, bittet er den Service erstmal um drei Gläser Wein dazu. Er selbst wird seines kaum anrühren – am Abend hat er einen Cateringtermin in Wien, Spargel für 150 Gäste.

Turnschuhe und Kochjacke, beides passt zu Toni. Er ist immer in Bewegung und Tag für Tag in der Küche.

„Essenszeit ist Lebenszeit – wer keine Zeit zum Essen hat, hat keine Zeit zum Leben“, sagt Toni, dieses Motto zieht sich durch sein Leben. Der 58-Jährige hat aus dem einfachen Landgasthaus seiner Eltern eine gefragte Adresse für österreichische Kulinarik gemacht. Während die Kinder das Haus erkunden, erzählt er aus seinem Leben. Seine Wurzeln liegen hier in Feuersbrunn, im ländlichen Wagram, wo er das Kochhandwerk erlernte und eine Zeit lang in der Welt unterwegs war – von Frankreich über Amerika bis nach Spanien. Doch mit 22 Jahren zog es ihn zurück in die Heimat, mit dem festen Ziel, die Schätze der lokalen Speisekammer auf höchstem Niveau zu präsentieren. „Es ging mir darum, Kalbsbraten und Brathendl auf eine neue Stufe zu heben“, sagt er.

Sternekoch Toni Mörwald und Patrick Hemminger im Interview

Gespräche mit Toni machen Spaß, denn er macht sich viele Gedanken um das Thema Essen - wie wir auch.

Obwohl seine Eltern ihm freie Hand ließen, schauten sie manchmal skeptisch auf seine Entscheidungen. Seine - in ihren Augen - verrückteste Investition waren mundgeblasene Weingläser für das Restaurant, die damals 180 Schilling pro Stück kosteten – die einfacheren gab es gerade mal für drei. Doch diese Entscheidungen zahlten sich aus. Den Gästen gefiel das neue Ambiente. Die alte Gaststube wurde schnell zu klein. „Wir sind jedes Jahr um einen Raum gewachsen“, sagt sich Mörwald. Heute beschäftigt er 250 Menschen.

Kinder in einem Sternerestaurant

Fine (l.) und Lotti sind begeistert vom edlen Besteck und den feinen Stoffservietten.

Mörwald, der auch Kochbücher schreibt und eine Kochschule betreibt, steht noch immer jeden Tag selbst in der Küche. „Es macht mir einfach Spaß“, sagt er. Den Stress, den viele andere Spitzenköche wie eine Monstranz vor sich hertragen, versteht er nicht. Er denkt über andere Dinge nach. Seine Lieferanten zum Beispiel. Rund 300 hat er - als wir ankommen bedankt er sich gerade bei einem jungen Mann für eine Ladung schwarzer Trüffel - und er kennt jeden einzelnen von ihnen. Das ist ihm wichtig, denn beim Kochen geht es für ihn - siehe sein Motto - längst nicht nur ums Sattwerden. “Wenn wir kochen, bauen wir eine Beziehung auf. Zu dem, der die Lebensmittel produziert hat, zu den Produkten und zu den Menschen, für die wir sie zubereiten”, sagt er. Und genau das ist für ihn der Reiz an seiner Arbeit. 

Nichts wird weggeworfen. Gar nichts.

Und sie führt zu großem Respekt vor den Produkten. In seinen Küchen wird nichts weggeschmissen. “Jeder Petersilienstängel ist ein Schatz”, sagt Toni und rechnet uns was vor. “Mal angenommen, wir haben in der Küche 100 Töpfe im Einsatz. Wenn wir die nicht ordentlich auswischen und in jedem nur 50 Gramm Sud oder Fond übrig bleiben, dann sind das - bei Mittags- und Abendservice - zehn Kilo pro Tag. Macht im Jahr 3560 Kilo, die wir einfach wegwerfen würden, nur weil wir nicht ordentlich arbeiten”, sagt er. Von den Kosten ganz abgesehen, durchschnittlicher Warenwert sind zehn Euro pro Kilo. 

„Sucht euch heute Abend im Restaurant etwas Schönes aus“, sagt er zum Abschied -  er muss nach Wien, die 150 Gäste erwarten seinen Spargel. “Oh, wie fein”, haucht Fine, als sie später im Restaurant vorsichtig die weißen Stoffservietten und das edle Besteck berührt. Fasziniert beobachten die Kinder die beiden Kellner, die uns gekonnt und herzlich durch den Abend begleiten - da ist sie wieder, diese Herzlichkeit der Menschen, die für Toni arbeiten. Wir essen: Frühlingstatar vom Rind, Burrata, klare Rindsuppe und Grammelknödel, Rieslingbeuscherl, gebratenen Zander und mehrere Wiener Schnitzel. Die Kinder beschließen das Festmahl mit Palatschinken und einem großen Eis, ich mit einem Pinot Noir vom Weingut Bründlmayer. 

Essenszeit ist Lebenszeit. Das spüren und schmecken wir an diesem Abend in jeder Sekunde. Danke, Toni für dieses Erlebnis.

Mehr Informationen zu Toni Mörwald gibt es hier auf seiner Internetseite.

Zurück
Zurück

Frauenpower in Carnuntum

Weiter
Weiter

Kalchkendlalm - Zu Gast bei Roswitha