Griechischer Wein - Auf in die Reben

Wir sind mit Panagiotis Papagianopoulos verabredet. Panagiotis ist Winzer und gilt als einer der Pioniere des modernen griechischen Weins. Er hat uns eingeladen, ihn auf seinem Weingut Tetramythos zu besuchen. Also fahren wir zurück auf die Peloponnes. Bei Diakopto verlassen wir die Autobahn, eine schmale Straße windet sich die kargen Berge hinauf. Panagiotis erwartet uns bereits. Wie auch auf der Weinmesse ist er farbenfroh gekleidet, der extravagante Bart nicht mehr ganz so sorgsam gestutzt wie noch vor ein paar Tagen. Während Anna und die Kinder mit einer alten Zahnradbahn eine Zugfahrt durch die Berge unternehmen, fahren Panagiotis und ich in die Weinberge.

Schmale Feldwege winden sich den Berg hinauf. Als wir anhalten, ist es still um uns herum. Panagiotis Reben stehen inmitten einer Blumenwiese, die nächsten Häuser sind Kilometer entfernt. Da, ein Vogel zwitschert. Eine dicke Hummel brummt vorbei. Von irgendwoher höre ich Schafsglocken. “Traktor kann hier keiner fahren”, sagt Panagiotis und deutet auf die alten, knorrigen Reben, die wild durcheinander stehen. “Bis 2010 hatten wir nicht mal einen.”

Ein Winzer steht inmitten seiner Reben

Hier ist alles Handarbeit. “Traktor kann hier keiner fahren”, sagt Panagiotis.

Panagiotis gilt als einer der Pioniere des modernen griechischen Weins. Das Land hat eine uralte Weinbautradition, hatte in den 1960er Jahren noch etwa gleich viel Rebfläche wie Frankreich. Das schwand, besonders mit dem EU-Beitritt 1981, als die Winzer Rodungsprämien bekamen. 

“In den 1990er Jahren gab es die erste Welle für neuen, griechischen Wein”, sagt Panagiotis. Einige junge Winzer pflanzten international bekannte und erfolgreiche Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Sie kelterten Weine, die dem damaligen Zeitgeist entsprachen. Mächtige Rotweine, ausgebaut in französischen Eichenfässern. Das entsprach nicht der Tradition, war aber erfolgreich.

Die traditionellen Methoden sind wieder modern

Die zweite Welle des griechischen Weins nahm mit Beginn der Finanzkrise in den Jahren 2009 und 2010. Die Europäische Union hatte bei jungen Griechen keinen guten Ruf mehr. Sie besannen sich auf ihre Traditionen, was sich unter anderem sowohl in der Küche als auch im Wein niederschlug. Traditionelle Rebsorten und traditioneller Ausbau sind seitdem angesagt. Traditioneller Ausbau bedeutet vor allem große Holzfässer, oft aus griechischer Akazie.

Anna und Patrick Hemminger mit Panagiotis vor dem Weingut Tetramythos

Danke, lieber Panagiotis für deine Gastfreundschaft!

Wir fahren zurück zum Weingut, ich muss den Rest der Familie vom Zug abholen. “Danach gehen wir essen, ja?”, sagt Panagiotis. “Da gibt es ein Restaurant, der Koch geht in die Berge, um Pilze und Wildgemüse zu sammeln, kocht nur mit Zutaten von hier. Wäre das was?” Ich bekomme leuchtende Augen. Klar!

Eine Viertelstunde würden wir fahren, hatte Panagiotis gesagt. Die Straße windet sich hinter dem Weingut weiter den Berg hinauf. Links und rechts der Straße immer wieder geschlossene Tavernen. Das hier ist der Weg in ein Skigebiet, von den Wintersportlern leben die Wirte in der kalten Jahreszeit.

Auf zum Abendessen

Bis auf 1000 Höhenmeter führt uns der Weg, die Viertelstunde ist da schon längst um. Dann geht es wieder hinab in ein wildes, urtümliches Bergtal und schließlich nach Kalavrita. Wir biegen auf den Parkplatz vor dem Restaurant “To Spiti tis Marios”, was  übersetzt so viel wie Marias Haus bedeutet. Am Herd stehen Georgios Manikas und seine Frau Maria Andriopoulou. Georgios ist eine Erscheinung laut, herzlich und mit einem Bauch, der vom Leben und Genießen zeugt.

Zwei Männer trinken Wein

Ein bisschen Spaß muss sein. Winzer Panagiotis (links) und Koch Georgios diskutieren die Weinauswahl.

Panagiotis nimmt eine Kiste Wein unter den Arm und gemeinsam betreten wir den Gastraum. In einer Ecke brennt ein Feuer, der größte der Holztische ist für uns gedeckt. Georgios Manikas kocht und lebt hier seit zehn Jahren gemeinsam mit seiner Frau Maria Andriopoulou. Er kommt uns entgegen und sofort lieben wir alle diesen Mann, den man etwas genauer beschreiben muss. Georgios ist etwa einen Meter siebzig groß und schiebt einen Bauch vor sich her, der vom Leben und Genießen zeugt. Auf dem Kopf hat er nicht mehr viele Haare, aber einen dichten und gepflegten Vollbart. Er redet und lacht mit tiefer, voll tönender Stimme, alle Zähne hat er nicht mehr im Mund. In seiner Gegenwart fühlt man sich sofort wohl.

Einige seiner Zutaten sammelt der Koch selber in der Natur

“Ich arbeite in Restaurants, seit ich 12 Jahre alt bin”, sagt er. Bevor er mit seiner Frau hierher kam, hatten die beiden ein Restaurant in Patras. “Aber in der Stadt gibt es keine guten Lebensmittel. Dafür musst du aufs Land, in die Natur”, sagt er. Panagiotis holt die Weinflaschen aus dem Karton und sofort sind die beiden in eine Diskussion vertieft. “Er überlegt, was er zu diesen Weinen kocht, was am besten passt”, sagt Panagiotis als Georgios in der Küche verschwindet.

Wenig später füllt sich der Tisch mit verschiedenen Tellern, Platten und Schüsseln. Es gibt Chorta (Wildgemüse, von Georgios eigenhändig gesammelt), Tyropita (eine Art Schafskäsekuchen), Kotopoulo me toutoumakia (Pasta in Kombination mit Hähnchen in Tomatensauce), Kontosouvli (gegrilltes Schweinefleisch), Asprogiani (ein Jahr altes Lamm mit Zwiebelsoße), Agriogourouno Stifado (geschmortes Wildschwein) und Fasolia Kerteriha (Bohnen aus dem Nachbardorf mit Kräutern im Ofen geschmort).

Dazu gibt es einen Malagousia, der perfekt zum Schafskäse passt. Der Roditis harmoniert mit der Pasta und der Rotwein Phelloé ist ohnehin der Knaller. Und begleitet das zarte Wildschwein. Anerkennend schnalzt Georgios mit der Zunge und schenkt sich auch ein Glas ein. “Ein Phelloé ist was ganz Besonderes. Den würde ich niemals alleine trinken.”

Wir stoßen an, satt und zufrieden. “Gute Weine sind dazu da, sie mit Freunden zu teilen, sagt Georgios. “Wie das Essen. Es geht nicht ums Sattwerden, es geht um Gemeinschaft, ums Teilen.” Anna und ich sehen uns an. Heute sind wir dem Geheimnis des griechischen Weins ein ganzes Stück näher gekommen.

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Pilion - Wildschweine und slow cooking mit Filippos

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Griechischer Wein - jede Flasche ein Abenteuer