Pilion - Wildschweine und slow cooking mit Filippos

Das Auto rumpelt durch ein altes Flussbett, Steine spritzen, Staub steigt auf. Und dann sind wir da: in Paltsi auf dem Pilion. Das Haus ist nicht einfach zu finden, es liegt auf einer Anhöhe über einem trockenen Flussbett zwischen Olivenbäumen. In der Ferne hören wir das Meer rauschen, ansonsten ist es still.

Willkommen auf dem Pilion, jener sagenumwobenen Halbinsel der Region Thessalien. In der griechischen Mythologie lebten hier die Zentauren, Fabelwesen, die halb Mensch, halb Pferd waren. Die Wälder sind dicht und grün, die Küste zerklüftet und steil. 

Haus bei Nacht auf dem Pilion

So einsam haben wir während unserer Reise noch nie gewohnt. Um uns herum nur Natur - und Wildschweine.

Mit einem Maunzen begrüßt uns eine alte Katze, sie gehört zum Haus. Das Fell ist strubbelig, auf dem einen Auge sieht sie nichts mehr. Wir taufen sie Persephone und stellen ihr Futter hin. Langsam wird es dunkel. Eulen schreien. In der Nacht schleichen Wildschweine ums Haus, es poltern Steine auf die Terrasse, wir hören die Tiere grunzen.

“Die Wildschweine sind die Pest," erzählt uns Andreas Patistis ein paar Tage später. Er ist Winzer in Argalasti und macht erstaunliche Naturweine. “Die Tiere haben keine natürlichen Feinde und verwüsten alles." Patistis führt uns durch seinen Keller. Zu jedem Wein empfiehlt er passendes Essen. Gebratenes Gemüse etwa zum Orange, Zicklein zum Xinomavro.

Patrick Hemminger und Naturweinwinzer Andreas Patistis

Patrick und Andreas Patistis - die beiden verstehen sich auf Anhieb.

In Argalasti ist jeden Samstag Markt. Wir kaufen Honig, Bergtee und eingelegten Seefenchel. Auf der Ladefläche eines Jeeps hat Gianni frische Eier ausgelegt. Er diskutiert mit anderen Händlern über Politik und Lebensmittelpreise in den USA. Dann will er alles über Travel&Taste wissen. “Ich habe ein Restaurant für Euch,” seine Augen fangen an zu leuchten. “Masima Stories in Afestis. Da müsst ihr hin.” Wir notieren die Adresse. “Und sagt mir, wie es war,” ruft Gianni uns hinterher. Am letzten Stand sitzt eine Dame und verkauft Wein in alten 1,5 Liter Plastikflaschen. “White, red, and dark", sagt sie. Fünf Euro das Stück. Aus purer Neugierde nehmen wir alle drei mit. Beim Abendessen öffnen wir die erste Flasche. Goldgelb fließt der Wein ins Glas, duftet würzig und herb. Wir probieren, schauen uns an: “schmeckt!”, sagen wir erstaunt.

Oktopus trocknet in der Sonne

Frischer geht Oktopus nicht - und leckerer auch nicht.

In den kommenden Tagen erkunden wir den Pilion, fahren ganz in den Süden und essen im Hafen von Agía Kyriakí im To Karnagio. Zu dieser Jahreszeit sind kaum Touristen unterwegs, wir sitzen zwischen Griechen. Wirt Kostas bringt Wasser und Brot und führt uns in die Küche, um die frischen Fische zu begutachten. Dort kocht seine Mutter Fischsuppe und bereitet Salate und Meeresfrüchte zu. Wir bestellen eine große Portion Scampi, sie kommen direkt aus der Bucht. Kostas nickt anerkennend, als wir dazu Knoblauchsoße bestellen. Die Kinder essen Fisch und Suppe. Nachtisch gibt es aufs Haus, selbstgebackener Kuchen. 

Anna Hemminger und Patrick Hemminger vor dem Restaurant Masina Stories in Afestis

Wir haben Hunger. Da ist das Masina Stories in Afestis genau die richtige Adresse.

Und es wird noch köstlicher. Denn wir folgen dem Tipp des Eiermanns und fahren nach Afestis. zum Restaurant Masina Stories. Masina heißt Maschine und steht für den Herd. Filippos Pliakonis hat jahrelang in Fünf Sterne Hotels gekocht und dann 2022 seinen Traum vom eigenen Restaurant wahr gemacht. Er kocht auf seiner Masina, die nur mit Holz befeuert wird.

Afestis wirkt verschlafen, der Dorfplatz ist wie ausgestorben. Ein paar alte Herren sitzen vor dem Restaurant und trinken Tsipouro. Drinnen ist es schön, Holztische, selbstgebaute Stühle, ein Kanarienvogel zwitschert in der Ecke. Mittendrin der Herd mit ein Töpfen in denen es blubbert und köstlich duftet.

Koch Filippos an seiner Masina

Filippos an seiner Masina. Beim Kochen mit Holzfeuer geht nichts schnell.

Filippos zeigt uns einen Tisch. Er strahlt eine große Ruhe aus. “Slow cooking, slow service”, sagt er und lacht. Das gefällt uns. Eine Speisekarte gibt es nicht. Filippos zählt auf, was er hat. Lokalen Käse aus dem Ofen, Salat mit Bratäpfeln und Salat mit selbstgemachten Chutney, dicke Bohnen aus dem Topf mit Tomaten, Lammwürste mit langsam geschmorten Paprika, Lammhaxe mit jungen Kartoffeln. Wir bestellen alles und sehen Filippos bei der Zubereitung zu. Hier ist nichts eilig, nichts hektisch, alles läuft nach seinem Tempo. Stundenlang sitzen wir an unserem Tisch und essen andächtig.  Die Kinder rennen über den Dorfplatz. Und wir kommen mit Filippos ins Gespräch. 

Griechische Gerichte.

Alles selbst gemacht: Filippos ist ohnehin am liebsten in der Küche.

“In den großen Restaurants ging es immer nur um den Preis,” sagt er. “Meine früheren Chefs wollten immer hohe Qualität, die nichts kostet.” Er schüttelt den Kopf. Das war nichts für ihn. “Alle Produkte, die ihr gegessen habt, sind von hier. Ich kenne jeden Händler, mache alles selber. Das Olivenöl ist von meinem eigenen Land, die Kräuter habe ich letzte Woche gesammelt und selbst eingelegt.” Er kommt in Fahrt, holt kleine Teller, lässt uns probieren. “Eat!” sagt er. Salzzitronen mit kleinen Fischen, Makrele mit dicken Bohnen, Kräuter mit eingelegtem Knoblauch und Lavendel. Wir essen, obwohl wir nicht mehr können.

Koch Filippos erklärt uns seine Philosophie

Wir sind längst satt - egal, wir essen trotzdem weiter. Zu köstlich sind all die Dinge, die Filippos uns probieren lässt.

Neulich habe ein Kunde gefragt, warum Filippos kein Tsatsiki anbietet. Er habe geantwortet, der Kunde solle bitte wiederkommen, wenn die Gurken reif seien. Schon als Fünfjähriger habe er am liebsten bei der Mutter in der Küche gesessen. “Das beruhigte mich immer.” Brachte sie ihm auch das Kochen bei? Nein, die Großmutter. Sie kam aus Nordgriechenland und die Einflüsse aus dem Dreiländereck Bulgarien, Griechenland und Türkei waren immer spürbar.

“Kochen ist mein Leben.” sagt Filippos zum Abschied. Und: “Ihr seid hier immer willkommen.”

Wir kommen wieder, Filippos, versprochen!

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Geheimtipp Thessaloniki - Essen bis Sonnenuntergang

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Griechischer Wein - Auf in die Reben