Auberginen und Pastaglück
Zwischen Italien und Sizilien liegen Welten. Zumindest was die Küche angeht. Das erzählt mir Cettina Vicenzino, Sizilianerin und Kochbuchautorin. Wir lernen sie im Nachbardorf Graniti kennen. „Wir haben hier auf Sizilien schon aus Gläsern getrunken, von Tellern gegessen und sind ins Theater gegangen, als ihr im Norden noch auf den Bäumen gekauert habt.“ So zitiert sie in ihrem Buch einen berühmten sizilianischen Sternekoch.
Cettina Vicenzino (rechts) kann herrlich über sizilianische Küche erzählen. Anna hört mit Begeisterung zu.
Und das ist wahr. Sizilien hat eine fast 4000 Jahre alte Geschichte. Griechen, Römer, Araber, Normannen, Staufer, sie alle waren hier und haben ihre Einflüsse auf die Küche hinterlassen. Als die Franzosen die Insel zeitweise beherrschten, wurden die damaligen Köche in den Adelshäusern zu Superstars. Die sogenannten Monsieurs schufteten nächtelang, um neue ungewöhnliche Kreationen zu kochen. Die Sizilianer konnten das Wort Monsieur allerdings kaum aussprechen, so wurden aus dem französischen Koch ein Monsú und die Küche, die sich daraus entwickelte, heißt Cucina dei Monsù. Und diese vermischte sich im Laufe der Jahre mit den einfachen Gerichten des Volkes, der Cucina Povera. Daneben gibt es noch Cibi di Strada, die Straßenküche in den sizilianischen Städten.
Das La Flora Sieht unspektakulär aus, wie so viele Restaurants auf Sizilien. Die Küche aber hat es in sich.
Wir gehen mit Cettina Vicenzino essen ins Ristorante Flora in Graniti. Der Laden ist an diesem Abend voll. An den langen Tafeln sitzen Familien und Gruppen von Freunden. Der Besitzer begrüßt jeden herzlich. Eine Hauptzutat der sizilianischen Küche ist die Aubergine. Die Sizilianer haben mehr als 80 Rezepte für sie. Es gibt auch unterschiedliche Sorten. Die Melanzana nera di Palermo nutzt man zum Beispiel für die Caponata, eines der bekanntesten süß-sauren Gemüsegerichte Siziliens. Jedes Dorf macht die Caponata anders, verrät Cettina. Sie bereitet ihre Caponata in einer antiken Version zu, mit Eiern und salzig-saurer Sauce nach einem Rezept, das auf die Benediktinermönche zurückgeht.
Im Ristorante Flora hat die Caponata die Form eines kleinen Törtchens. Sie schmeckt herzhaft und leicht säuerlich - köstlich. Es folgt ein weiteres typisches Gericht: Die Pasta alla Norma. Auch hier hat Cettina eine schöne Geschichte. Die Pasta alla Norma heißt wie die Oper von Bellini. Als der Dichter und Dramatiker Nino Martoglio das erste Mal diese Pasta probierte, rief er genüsslich aus: „Chista è ‘na vera Norma!” Das ist eine echte Norma - denn, erklärt Cettina, eine echte Norma muss wie eine Oper komponiert werden.
Essen und Italien, das gehört einfach zusammen. Hier verewigt auf einem Wandgemälde im Dörfchen Graniti.
Kopfschüttelnd betrachtet sie unseren Teller mit den hausgemachten Maccheroni, der Tomatensauce und den Auberginenwürfel, darüber Ricotta salata aus dem Ofen. Diesen Ricotta gibt es nur hier im Tal. Er schmeckt salzig und süßlich zugleich. “Keine wahre Norma”, sagt sie. Da fehlt die Komposition. In ihrem Rezept serviert sie Spaghetti, die sind viel eleganter als die kurzen Maccheroni und die Auberginen werden in Scheiben gebraten und dekorativ darüber gelegt. Ich bin mir trotzdem sicher: Bellini wäre begeistert.
Das Kochbuch von Cettina Vicenzino “Sizilien in meiner Küche” ist ein Reisebuch mit Rezepten, für alle, die mehr über Sizilien und seine Menschen wissen wollen.