Zwischen Mandarinen und Reis
Das darf nicht wahr sein: Wir fahren unter der Autobahnbrücke durch auf einen Parkplatz. Vor uns ein heruntergekommenes Haus, umgeben von rostigem Maschendrahtzaun. Ein Hund kläfft uns an, springt am Zaun hoch. Dios mio, wo sind wir nur gelandet? In der Anzeige war die Rede von einer wunderschönen Finca, inmitten von Zitronenbäumen. War das ein Fake?
„Kinder, wenn das die Unterkunft ist, dann gehen wir ins Hotel,“ verspreche ich den Kindern. Wild entschlossen, sofort abzufahren. Wir sind in Camarles, südlich von Barcelona im Ebro-Delta, einem Naturschutzgebiet mit einzigartiger Landschaft. Heißt es zumindest. Was wir sehen: Ruinen, verlassene Industriebauten, ausgemergelte Bäume.
Und nun diese Ruine. Wir trauen uns nicht aus dem Auto und rufen die Verwalterin Ana an. Sie kommt und alles wird gut. Die Einfahrt unserer Finca ist zwar hier, doch sie führt weg von der Baracke durch ein Zypressenwäldchen zu einer kleinen Oase. Vor uns liegt ein altes Gemäuer mitten im Mandarinenfeld.
Unsere Unterkunft - da haben wir nochmal Glück gehabt.
Die Kinder sind erleichtert und verschwinden sofort zwischen den Bäumen. „Ihr dürft soviel essen, wie ihr wollt,“ sagt Ana. Und das machen wir auch. Wie toll ist das denn? Wir pflücken die Mandarinen direkt vom Baum, der Saft läuft uns über die Finger, sie schmecken süß und ein bisschen nach Advent. Auch Orangen hängen an den Bäumen. Und es gibt jede Menge Zitronen.
In den nächsten Tagen lernen wir den Besitzer kennen. Er heißt Joaquim und kommt aus Barcelona. Die Mandarinen sind ein Hobby, eigentlich hat er jede Menge Restaurants.
In einem organisiert er gerade einen Tunnel de Horror für Halloween: Eine Geisterbahn für den 31. Oktober. Ob wir mal schauen wollen? Fine und ich sind neugierig und kommen mit in ein riesiges Restaurant. Dort baumeln Skelette von der Decke, springen unheimliche Clowns aus Ecken und spritzt Kunstblut aus Maschinen. 14 Menschen hat Joaquim für den Halloweenabend eingestellt. Ob wir kommen wollen? Er erwartet an die 2000 Kinder. Nein danke, die Generalprobe hat uns gereicht.
Umwerfend, dieses Wetter.
Wir besichtigen lieber die Gegend und merken: Schönheit und Hässlichkeit liegen nah beieinander. Das Wetter ist schlecht, das Ebro-Delta rau. Große Lagunen wechseln sich mit überschwemmten Feldern ab. Hier wird seit dem 17. Jahrhundert Reis angebaut. Vor allem die Sorte Bomba, die für Paella verwendet wird. Am Strand sind die Restaurants geschlossen, die Bar ist zugenagelt und im Sand finden wir tote Fische. Wir sind außerhalb jeder Saison unterwegs, auf dem Handy eine Regenwarnung nach der anderen. Valencia ist nur eine Stunde entfernt von uns. Dort hat es in den vergangenen Tagen verheerende Unwetter gegeben mit zahlreichen Toten. Uns ist mulmig zumute. Die Wellen türmen sich an der Uferstraße hoch auf. Sie ist mittlerweile gesperrt, weil sie überschwemmt ist.
In L’Ampollo lässt sich’s aushalten.
Und dann, völlig unverhofft, entdecken wir den Küstenort L´Ampollo. Es gibt eine Promenade, eine offene Bar und ein paar Geschäfte. Zum Beispiel einen herrlichen Metzger. Er hat ein Schinkenbein aufgestellt und säbelt uns köstlichen Jamon Iberico herunter.
Wir essen ihn pur im Auto. Die Kinder sind begeistert, so einen Schinken haben sie noch nie gegessen. Doch das reicht uns nicht. Wir wollen endlich ein schönes Mittagessen. Wieder haben wir Glück. Wir finden das Restaurant Lo Típic mit Blick aufs Meer und den Hafen. Der Patron winkt uns hinein, er hat noch einen einzigen Tisch frei. Am Mittag!
Spanien in Bestform - es geht uns gut.
Zur Feier des Tages bestellen wir Cava, also den spanischen Schaumwein, und Limonade. Und dann lassen wir es krachen. Her mit dem Menü: Bacalao, Stockfisch-Carpaccio mit Olivenöl, gedämpfte Meeresfrüchte, Patatas bravas für die Kinder und natürlich DAS Gericht der Gegend: Die Paella. Der Kellner stellt die dampfende Pfanne in unsere Mitte. Darin mit Safran gefärbter gelber Reis, Gambas, Hummer, Muscheln und Paprika. Dios mio. Was geht es uns gut.