Pelei - Verfallene Steinhäuser und große Gastfreundschaft
Die Vermieterin hatte uns gewarnt: Das Haus sei wirklich sehr einsam gelegen. Wir hatten gelacht. Je einsamer, desto besser. Und jetzt kurven wir auf einer engen Straße um Schlaglöcher herum auf das kleine Dorf Pelei im Osten der Peloponnes zu. Eine Ansammlung verfallener Häuser und Steinruinen zwischen Olivenbäumen. Es wirkt alles andere als einladend. “Hier steht ja nichts mehr”, sagen die Kinder und klettern aus dem Auto. Ein schwarzer Hund beobachtet uns, schleicht in der Dämmerung davon.
Da entdecken wir unser kleines Steinhaus. Es sieht gemütlich aus. Drinnen gibt es einen Kamin und einen großen Holztisch. Darauf eine Flasche Wein und zwei Gläser, für die Kinder gibt es Kekse. Wir stellen uns auf die Terrasse, blicken auf das weite Tal und trinken einen Schluck. Um uns herum Stille. Wo sind wir nur gelandet?
Wo sind wir hier nur? Darüber lässt sich bei einem Glas Rotwein trefflich nachdenken.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir erkunden das Dorf. Viel ist davon nicht übrig. Pelei wurde im Jahr 1939 gegründet. Der Staat gab das Land 20 Familien, die es bewirtschafteten und weitgehend als Selbstversorger lebten. Ein Eselspfad war die einzige Verbindung zur Außenwelt. Er führte über die Berge in das Örtchen Didima. Ende der 1950er Jahre baute man anstelle des Pfades eine Straße - und die Menschen verließen Pelei. Die Häuser begannen zu verfallen. Nur ein Haus ist noch dauerhaft bewohnt von einer Frau, die freundlich herüber winkt. Ein paar weitere Häuser sind hergerichtet und dienen als Wochenend- oder Ferienhäuser. Die Kinder finden es herrlich, sie bauen zwischen den Ruinen ein Steinmuseum, freunden sich mit einem der drei Dorfhunde an und streunen den ganzen Tag herum.
Bei Sonnenschein sieht das doch schon sehr nett aus.
Nicht weit von uns entfernt in der weiten Ebene, umgeben von Hügeln liegt Epidauros. Die Kur- und Kultstätte ist über 2300 Jahre alt. Hier wurde Asklepios verehrt, der Gott der Heilkunde. Die alten Griechen waren davon überzeugt, dass zur Heilung von Kranken nicht nur Hypnose und Thermalbäder gehörten, sondern auch geistige Anregung: Deshalb bauten sie hier ein großes Theater. Heute ist es eines der besterhaltenen in ganz Griechenland. Staunend stehen wir auf der Bühne. Vor uns steigen die steinernen Sitzreihen steil an, Die oberste liegt mehr als 20 Meter über der Bühne. 14.000 Menschen haben hier Platz. Die Akustik ist phänomenal, bis heute rätseln Forscher, wie die alten Griechen das hingekriegt haben. Die Kinder flüstern etwas und wir Erwachsenen können es bis in die letzte Reihe ganz oben hören. Dann schlendern wir über das Gelände, betrachten die alten Steine und Lotti fragt: "Wieso kann man das nicht alles wieder aufbauen? Das wäre doch viel schöner!”
Besser als jede Geschichtsstunde: Besuch im Theater von Epidauros.
Am Wochenende passiert zwei Steinhäuser weiter etwas. Ein älteres Ehepaar ist vorgefahren und hantiert auf der Terrasse. Ein Grill wird aufgebaut, Tische gedeckt, schon bald zieht köstlicher Duft zu uns herüber. Der Mann winkt freundlich. Immer heftiger. Dann fängt er an zu rufen. “Come, come!” Wir sollten doch herüber kommen, es kämen Gäste und ob wir ein Glas Wein wollten.
Anna ist hungrig.
Wir blicken uns an und schon sind wir drüben. Auf der Terrasse sitzen einige ältere Menschen im Schatten zusammen, trinken Wein und Tsipouro, griechischen Tresterbrand. Über glühender Kohle dreht sich ein Lamm am Spieß und wird langsam knusprig. Antonio und Dimitri sprechen ein paar Wörter Englisch. Heute ist ein Tag zum Feiern, sagen sie, irgendetwas Heiliges, genau verstehen wir es nicht. Egal. Wir feiern gerne mit. Antonio schenkt uns Wein ein, die Kinder bekommen Saft. Dimitri bringt Fleischspieße und Salate. Für Fine und Lotti gibt es Gambas vom Grill. Sie sind seit neuestem Vegetarier. Danach einen Teller mit Kataifi, süße Nester aus Engelshaar. Wir essen, trinken und reden, während die Sonne immer höher steigt. Wie konnten wir jemals an Pelei zweifeln?
Wen stören schon Ruinen, wenn die Menschen freundlich sind?
Leider müssen wir am nächsten Morgen abfahren. Als wir gerade den Kofferraum beladen, kommt die Gastgeberin von gestern vorbei. Beim Grillen sei Nachtisch übrig geblieben. Sie überreicht uns eine große Schachtel, randvoll mit süßen Teilchen. Auch die einzige Bewohnerin Peleis eilt zu uns. In der Hand hält sie eine Tüte mit frischen Eiern von ihren Hühnern. Sie lacht und plaudert griechisch auf uns ein. Am liebsten würden wir bleiben. Die Ruinen stören uns gar nicht mehr. Pelei ist herrlich. Der Hund läuft uns schwanzwedelnd nach, das Auto ruckelt über die Schlaglöcher und uns ist klar: Es sind immer die Menschen, die einen Ort zum Leuchten bringen.
“Wollen wir nicht doch noch bleiben?” Aber Athen ruft…!