Treviso - Kürbisgnocchi bei Maria-Rosa und Lorenzo
“Kommt nach Treviso,” hatte meine Freundin Julia gesagt. “Ihr werdet es lieben, die Menschen, das Essen, die Landschaft.” Julia ist Galeristin, macht Ausstellungen in München und hat seit einigen Jahren ein kleines Haus in Resera, in der Nähe von Tarzo. Hier leben noch rund hundert Menschen. Es gibt einen kleinen Platz und ein paar Häuser, von denen der Putz abblättert. Die Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert. Auf den Hügeln rundherum wachsen die Trauben für Prosecco.
Prosecco! Da wächst er!
Nirgendwo schmeckt er so gut wie hier. Zum Beispiel ein paar Dörfer weiter in der Osteria senz’ Oste. Dem Wirtshaus ohne Wirt:. Auf einem Hügel Tische und Bänke aufgestellt, im Getränkeautomat stehen gut gekühlte Prosecco Flaschen bis hin zur Magnum.Wir ziehen uns eine Flasche und genießen sie mit Blick auf die umliegenden Weinberge. Um uns herum ist einiges los. Familien, junge Leute, Paare, die sich hier ein paar schöne Stunden machen.
Nirgendwo schmeckt der Prosecco besser als hier, umgeben von Reben.
Ein Geheimtipp ist dagegen der Prosecco San Rocco von Gisela. Sie ist der Liebe wegen vom Tegernsee nach Italien ausgewandert und macht herrlich süffigen Stoff. Wir sitzen mit ihr auf der Terrasse und probieren den aktuellen Jahrgang. 15.000 Flaschen macht Gisela jedes Jahr. Als ihr italienischer Mann starb, übernahm sie das Weingut San Rocco. Am Anfang war es nicht leicht, sich als Deutsche und vor allem als Frau gegen die meist männlichen Winzerkollegen und Weinbergsarbeiter durchzusetzen. Doch sie hat es geschafft. Mittlerweile ist sie in der Gegend bekannt und wird italienisch liebevoll “Tschisella” genannt.
“Tschisella” macht herrlich süffigen Stoff. Ein paar Flaschen von ihr begleiten uns auf unserer weiteren Reise.
In unserer Nachbarschaft lernen wir Maria-Rosa und Lorenzo kennen, beide über 70 Jahre alt. Sie hatten 40 Jahre lang ein beliebtes Restaurant, die Trattoria Da Lorenzo. Viele Künstler und Intellektuelle speisten hier, genauso wie die Menschen aus der Umgebung. Lorenzo war berühmt für seine Pasta mit dem guten Sugo, sein Fleisch vom Grill und seine Schmorgerichte. Das alles erzählt uns Maria-Rosa bei einem Espresso in der geschlossenen Trattoria, die immer noch als Speiseraum und Wohnzimmer für die Familie dient. Obwohl wir nicht besonders gut italienisch sprechen, verstehen wir uns großartig. „Wo essen wir denn hier am besten?“ fragen wir die Rentnerin. “Bei uns”, sagt sie und blickt ihren Mann Lorenzo auffordernd an. „Wir können diese Woche zusammen kochen.“ Lorenzo nickt.
Wenn Lorenzo in der Küche steht, dann arbeitet er ruhig und konzentriert, macht immer nur eine Sache und lässt sich nicht mal von Maria-Rosas Geplauder ablenken.
Am Dienstag begleite ich ihn in seinem kleinen Auto zum Einkaufen. Im Supermarkt stehen wir an der Fleischtheke. Lorenzo guckt sich die Auslage an und diskutiert mit dem Verkäufer. Dann schüttelt er den Kopf. “No”, sagt er, “das ist nicht gut hier.” Wir fahren in die Macelleria, die Fleischerei. Die einzige, die es noch in der Gegend gibt. “Die Leute kaufen nur noch billig”, sagt Lorenzo. In der Macelleria sieht das Fleisch ganz anders aus, frisch und gesund.
Nun ist der Kürbis weich. Vermischt mit Mehl, Eiern und Salz werden daraus bald herrliche Gnocchi - ganz ohne Kartoffeln.
Zuhause stellt sich Lorenzo in die Küche und fängt an. Und Patrick und ich machen mit, wir höhlen Kürbis aus und waschen Salat. Das Fleisch mariniert der Koch selbst. Ganz wichtig: Olivenöl, Weißwein und etwas Rosmarin. Zwischen uns tanzt Maria-Rosa durch die Küche, sie trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Funky Beat, schlägt Eier in den Teig für die Gnocchi, kocht Kürbis, lacht viel, telefoniert zwischendurch und deckt den Tisch im Gastraum. „Was haben wir für Feste gefeiert,“ sagt sie. „Es gab Konzerte, wir haben getrunken, gegessen und getanzt.“
Die Sache mit dem Kochen und den Lebensmitteln ist Lorenzo wichtig.
Nach Stunden der Vorbereitung entkorkt Lorenzo einen Prosecco. Eigene Herstellung. Er macht davon 200 Flaschen im Jahr, die nur für Freunde und Familie bestimmt sind. „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie viel Arbeit selbst ein einfaches Mahl ist,“ sagt er nachdenklich. Wir stehen vor dem offenen Feuer in der Gaststube, auf einem Grillrost brutzeln die Koteletts. „Bei meinem Essen gab es nicht viel Drumherum. Sondern gute Produkte.“
"Salute", ruft Maria-Rosa. Wir sitzen an der langen Tafel. Die Söhne der Familie sind auch gekommen. Es gibt Kürbisgnocchi, weich geschmorte Auberginen, Bratkartoffeln und das Fleisch vom Grill. Auf den Salat hat Maria-Rosa Blüten aus dem Garten gelegt. Als wir schon fast platzen, kommt der Nachtisch. Tiramisu. Unsere Kinder seufzen glücklich. Wir auch. Julia hatte so recht. Die Menschen und die Gegend sind fantastisch.
Herrlich ist es hier! Treviso, wir lieben dich.