Auf nach Frankreich

Mit einer Mischung aus Freude, Angst und Ungewissheit packen wir in Holland stundenlang das Auto - was haben wir da eigentlich alles dabei? Wir verabschieden uns von Annas Eltern, Tränen fließen. Was wird sein, wer werden wir sein, wenn wir uns wiedersehen?

Ich gebe die Adresse unserer Unterkunft in Reims ein und wir fahren los. Als wir nach einer Stunde die Grenze nach Frankreich überqueren, jubeln alle. Sieben Wochen werden wir nun in diesem Land sein, so etwas hatte ich zuletzt als Student.

In Lille fahren wir von der Autobahn ab, um uns im nächsten Supermarkt mit französischen Lebensmitteln einzudecken. Wir können nach all den holländischen Pommes nichts Frittiertes mehr sehen, lechzen nach gutem Baguette, frischem Obst und Gemüse, Käse und Wurst, die ihren Namen verdient haben.

travel&taste - Europa, wir kommen!

Wir werden nicht enttäuscht. Der Super U hat alles, was wir uns wünschen und noch viel mehr. Eine Theke mit Fisch und Meeresfrüchten, wo es lebende Hummer zu kaufen gibt. Da das Wetter kalt und ungemütlich ist und alle fünf vor Hunger schlechte Laune zu bekommen drohen, picknicken wir im Auto.

Eine ältere Dame steigt neben uns aus ihrem Wagen und betrachtet uns und den neuen Schriftzug travel&taste auf unserer Türe. Durch das halb offene Fenster spricht sie mich an. Ob wir tatsächlich reisen und essen würden. Ich erzähle ihr von unserem Projekt, sie ist begeistert und wünscht uns alles Gute.

Voller Euphorie fahren wir weiter nach Reims, die Hauptstadt der Champagne. Kulinarisch, so dachten wir uns, fangen wir mal ganz oben an. Anna hat ein kleines, gemütliches Häuschen in den Outskirts der Innenstadt für uns gemietet. Die Häuser sind grau, die Straßen eng und mit Hundehaufen dekoriert. All das tut unserer Stimmung keinen Abbruch.

Am Morgen habe ich im The Glue Pot einen Tisch reserviert, die Champagnerkultkneipe von Reims erwartet uns! Das Lokal gleicht einem lange, roten Schlauch. Ein Kellner führt uns durch einen schmalen Raum an Sitznischen mit rotem Leder vorbei in den hinteren Teil.

Da bin ich noch sehr euphorisch…noch…

Es ist schummrig und gemütlich. Wären da nicht eine Leinwand und vier Fernseher in Sichtweite unseres Tisches, auf denen gerade die Aufzeichnung eines Konzerts von Phil Collins beginnt. In Originallautstärke. Aber wir sind wild entschlossen, das alles großartig zu finden und bei Champagner und Orangina entspannen wir uns. Für etwa zehn Minuten.

Die Auswahl des Essens gestaltet sich für die Kinder als schwierig. Außerdem wird ihnen gerade klar, dass am nächsten Morgen der erste Schultag ist. Es kämpfen Freude darüber, dass sie nicht in die Schule müssen und Sorge darüber, dass sie nicht in die Schule können und ihre Freundinnen nicht sehen miteinander. Lotti drückt ihr Kuschelnilpferd fest an sich, Fine ist blass. Jakob schaut mit offenem Mund Phil Collins zu und wird sauer, wenn man ihn aufs Essen anspricht.

Das Essen ist gut, Phil Collins zu laut

Der Kellner serviert uns das schließlich, konsequent englisch sprechend. Die Gerichte sind wirklich gut: am besten gefällt allen die Vorspeisenplatte mit verschiedenen Spezialitäten vom Metzger. Meine Vorspeise - Eier mit Senfsoße und kleinen Garnelen - ist gar köstlich. Lotti hat sich einen Hot Dog bestellt, weil Würstchen im Brot lecker klingt, und ist entsetzt ob all des „Gedöns“, das sich der Koch dazu überlegt hat - gebratener Speck, geschmolzener Käse, Zwiebeln und allerlei Gemüse - und geht erstmal frische Luft schnappen. Jakob lässt sein Hacksteak liegen und macht sich über die Pommes dazu her. Annas Fischfilet entpuppt sich als leckeres Sandwich, ich bekomme mit Kalbshack gefülltes Gemüse und Reis, Fine hält sich an die Wurstplatte.

Meine Vorspeise ist gar köstlich. Die Stimmung wird trotzdem allmählich kritisch.

Wir gehen gerne mit unseren Kindern essen und unsere Kinder mit uns. Sie dürfen sich grundsätzlich aussuchen, was sie wollen und bekommen am Ende einen Nachtisch ihrer Wahl. Das klappt in der Regel bestens. Aber in der Regel sitzen wir nicht in einer Innenstadt und haben nicht Fernseher und Leinwand um uns. Zuhause haben wir nicht mal einen Fernseher besessen. Kein Wunder also, dass den Dreien gerade alles zu viel wird.

Wir sind fertig mit den Nerven, als wir The Glue Pot endlich verlassen. Mit gemischten Gefühlen schlendern Anna und ich Arm in Arm die Fußgängerzone entlang. Unseren kulinarischen Auftakt haben wir uns ein wenig anders vorgestellt, irgendwie enthusiastischer. „Naja, wir haben viel gelernt darüber was nicht funktioniert“, sagt Anna und lächelt.

Und am Ende wird alles gut

Wir machen uns auf den Rückweg. Und dann wird der Abend doch noch wunderschön. Denn im Park entdecken Jakob und ich ein funkelndes Wasserspiel. Vielleicht 30 kleine Fontänen sprudeln aus einer Betonfläche und werden dabei in wechselnden, verschiedenen Farben angeleuchtet. Juchzend vor Freude rennen unsere drei um das farbenfrohe Leuchten. „Daran werden sie sich erinnern“, sagt Anna. „Und vielleicht ein bisschen an Phil Collins“, füge ich grinsend hinzu.

Leuchtende Wasserspiele in Reims in der Champagne

Der Anblick dieser leuchtenden Wasserfontänen rettet dann doch noch unseren ersten Abend auf der Reise.

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