Der beste Lachs unseres Lebens
„Du hast Glück, heute wirst du nicht seekrank, das Meer ist kristallklar“, begrüßt mich Geir Ove Refvik. Das Wetter hier in Måløy, im Nordwesten Norwegens, ist völlig verrückt. Seit mehreren Tagen ist es warm und sonnig, die Menschen schwimmen im Meer, und Geir Ove trägt sogar Shorts. „Nächste Woche wird es wieder normal sein“, sagt er. „18 Grad und Regen.“
Geir Ove in einer für Norweger ungewöhnlicher Kleidung: kurze Hosen!
Wir treffen Geir Ove nicht zufällig. Wir haben eine Mission. Followfood hat uns geschickt – ein deutsches Lebensmittelunternehmen, das vollständige Transparenz über seine Produkte verspricht. Ein QR-Code auf jeder Verpackung führt direkt zum Hersteller. Im Februar waren wir in Apulien bei einem Pesto-Hersteller, heute fahren wir zu einer Bio-Lachszucht, die Coast Seafood beliefert. Wir sind gespannt, denn die Lachszucht hat normalerweise keinen guten Ruf: Umweltverschmutzung durch Fäkalien und Futterreste, der Einsatz von Antibiotika und die Verbreitung von Krankheiten und Parasiten wie Seeläusen sind die Hauptvorwürfe, die Umweltschützer und Tierschützer gegen die Branche erheben. Aber trifft das auch hier in Norwegen zu? Bei Followfoods Produzenten?
Bjørn Grønevik auf dem Weg zur Arbeit. Mit dem Schnellboot geht’s durch die malerische Landschaft Norwegens.
Im Hafen von Måløy treffen wir Bjørn Grønevik, den Leiter der Farm. Bjørn pendelt jeden Tag 40 Minuten zur Arbeit. Nicht im Auto mit Stau und Abgasen, sondern im Schnellboot durch Fjorde, vorbei an kleinen Inseln und majestätischen Bergen. Ich ziehe meine Schwimmweste an und setze mich hinter das Steuerhaus. Sobald wir offenes Wasser erreichen, gibt Bjørn Vollgas. Das Boot beschleunigt, die Gischt steigt auf und der Wind tost. Zu laut für ein Gespräch, also genieße ich einfach das Panorama.
Bjørn gibt Vollgas. Ich lehne mich zurück und genieße die Fahrt.
Nach 45 Minuten taucht die Anlage am Horizont auf. Sie liegt im Fjord, nicht weit vom Land entfernt. Auf der schwimmenden Basis befinden sich Arbeitsräume für die Besatzung und Futterlager für die Fische, dahinter mehrere riesige runde Netze, umgeben von Schwimmdocks. Wir legen an und klettern auf die Metallgitter. In regelmäßigen Abständen wirft eine Maschine Futter ins Wasser, große Lachse springen hoch und plumpsen wieder zurück ins Wasser. „Das Netz ist 40 Meter tief und hat einen Durchmesser von 53 Metern. Viel Platz für die Fische“, sagt Bjørn.
Bjørn schaut nach, ob bei den Fischen alles in Ordnung ist und erklärt mir, wie so eine Farm funktioniert.
Die Besatzdichte ist ein wichtiger Punkt in der ökologischen Landwirtschaft. In ökologischen Anlagen wird eine geringere Besatzdichte bevorzugt – maximal zehn Kilo Fisch pro Kubikmeter –, während in konventionellen Anlagen eine Obergrenze von 25 Kilo Fisch pro Kubikmeter gilt. Beide Betriebsarten können gut funktionieren, in ökologischen Käfigen haben die Tiere mehr Platz um ruhig schwimmen zu können. „Man sieht, wenn es ihnen gut geht“, sagt Bjørn. „Die Fische verteilen sich im Wasser und schwimmen gleichmäßig.“ Eine geringe Besatzdichte erleichtert es auch, am Verhalten der Tiere Anzeichen von Stress frühzeitig zu erkennen und etwas dagegen tun zu können.
Von dieser Station aus überwachen die Mitarbeiter das Wohlergehen der Lachse.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Futter. Sowohl konventionelle als auch ökologische Futtermischungen können Soja enthalten; in ökologischem Futter wird zertifiziertes Bio-Soja verwendet. Bei maritimen Rohstoffen legen Futtermittelhersteller Wert darauf, Nebenprodukte wie Fischabfälle zu verwenden, anstatt ganze Fische, die für den menschlichen Verzehr geeignet wären. „Unser Bio-Lachs wird unter anderem mit Fischabfällen und biologisch zertifizierten pflanzlichen Zutaten gefüttert und enthält zertifiziertes Bio-Soja“, erklärt Bjørn. Das klingt gut, aber ich bin immer noch skeptisch. Was ist mit Antibiotika? Seeläusen? Und den Abfällen, die auf dem Meeresboden landen? „Lass uns zur Station gehen, dort kann ich dir bei einer Tasse Kaffee alle Fragen beantworten“, sagt Bjørn.
An Bord mit Bjørn.
Wir steigen ins Boot und fahren zur weißen schwimmenden Basis. Im Inneren hängen Arbeitskleidung, Helme und schwere Jacken – es ist klar, dass das Wetter oft rauer ist als heute. An den Wänden sind Steckdosenleisten angebracht, Arbeitsschuhe stehen in Reih und Glied. Wir gehen hinauf in den Kontrollraum mit großen Fenstern, die auf die sechs Netze blicken. Auf den Bildschirmen zeigt Bjørn Unterwasseraufnahmen: Majestätische Lachse schwimmen ruhig vorbei. Er nickt zufrieden: „Heute sieht alles gut aus.“
Von hier aus hat Bjørn alles im Blick, über und unter Wasser.
Dann serviert er Kaffee. „Was Antibiotika angeht“, beginnt er, „ist das an vielen Orten der Welt ein Problem, aber in Norwegen ist der Einsatz sehr gering und streng reguliert. Hier werden sie nicht routinemäßig eingesetzt.“ Wenn Antibiotika verwendet werden, dann nur von amtlichen Tierärzten oder speziell geschultem Personal. Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika ist nicht erlaubt.
Bjørn beantwortet mir gerne alle meine Fragen.
Seeläuse hingegen sind eine große Herausforderung. Der Parasit kann bis zu zwölf Milimeter lang werden, saugt Blut und schädigt die Haut der Fische. In engen Netzen kann er sich schnell ausbreiten. „Wir setzen biologische und mechanische Methoden ein“, erklärt Bjørn. „Der Lippfisch frisst die Läuse, und wenn nötig, erhält der Lachs eine sanfte Süßwasserbehandlung.“ Chemikalien werden nicht standardmäßig eingesetzt, und es wird weiterhin nach natürlichen Lösungen geforscht.
Und was ist mit der Behauptung über tote Zonen unter den Netzen? „Die Behörden überprüfen den Meeresboden jedes Jahr. Wenn er beschädigt ist, dürfen wir keine neuen Fische aussetzen, bis die Natur wieder gesund ist. Hier sind die Ergebnisse gut“, sagt Bjørn.
Ich bin mit den Antworten zufrieden – und später bestätigt sich alles durch meine eigenen Recherchen. Nur eine Frage bleibt offen: Wo kann ich diesen schönen Lachs bekommen? Bjørn lacht. „Hier nirgendwo. Norweger fischen Wildlachs – Zuchtlachs kannst du nicht selbst fangen. Aber warte, wir besorgen dir einen.“
Als das Tier dann an Bord ist, geht alles sehr schnell. Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei.
Die Crew macht sich sofort an die Arbeit. Mit Stiefeln, Helmen und Westen ausgestattet, fahren sie mit dem Arbeitsboot hinaus. Wir folgen ihnen. Bald haben sie ein Netz in eines der Rundnetze abgesenkt. Nach mehreren Versuchen ziehen sie einen prächtigen Lachs heraus – länger als mein Unterarm. Er zappelt heftig, wird aber schnell betäubt, ausgeblutet und in einen Eimer gelegt. „Bitte sehr“, sagt Bjørn mit einem Lächeln. Kurz darauf habe ich ihn ausgenommen und in eine große graue Tüte gepackt. Er ist schwer!
Und wo setze ich jetzt den ersten Schnitt? Gar nicht so leicht.
Zu Hause legen wir ihn auf den Tisch auf der Terrasse. Was für ein wunderschönes Tier – und so viel Fleisch! Das Abendessen für die nächsten Tage ist gesichert. Anna und ich filetieren ihn, etwas ungeschickt, aber erfolgreich. Am Ende haben wir kiloweise Filets und einen ganzen Teller mit kleinen Stücken. Wir probieren sie sofort – roh, mit nur etwas Rapsöl und Flockensalz. Köstlich, so einen Lachs haben wir noch nie gegessen.
Abendessen! So einen guten Lachs haben wir noch nie gegessen.
Disclaimer: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit followfood.