Midsommar - Tanz um die Stång
Das war immer unser Traum. Einmal nach Schweden reisen, einmal Mittsommer feiern, einmal durch die hellste Nacht des Jahres tanzen. Doch das Fest läuft ganz anders ab als gedacht.
Die Schweden treffen sich nämlich schon am späten Vormittag, um alles für Midsommar vorzubereiten. Überall an den Straßen sieht man Menschen Blumen pflücken. Oder sie haben schon große Sträuße im Arm. Nach Weihnachten ist Midsommar das wichtigste Fest im Jahr, am Mittag schließen die Geschäfte, am nächsten Tag ist Feiertag.
Da steht sie schon, die Midsommarstång.
Auch wir pflücken Blumen und fahren zum nahe gelegenen Gunnargard, ein Bauernhof in der Nähe von Ullared. Dort ist viel los. Alle haben sich schick gemacht, die Frauen tragen Sommerkleider, die Männer Hemden. Kinder flitzen herum, Buden sind aufgebaut, die Midsommarstång steht bereits. Das ist eine Tradition aus dem Mittelalter. Die Schweden stellen einen Baum auf, umwickelt mit Zweigen und Blumen auch Majstång genannt. Das ist kein Maibaum, sondern “Maj” kommt vom Verb maja und heißt mit Blumen schmücken.
Birkenzweige liegen bereit, die Blumen haben die Mädchen und ich am Morgen gepflückt.
An großen Tischen liegen Birkenzweige und Drahtrollen, hier können wir unsere Kränze binden. Das habe ich noch nie gemacht, doch ein nettes Paar hilft mir. Und so haben wir bald wie alle anderen unsere Blumenkränze im Haar. Ein altes Symbol für Wiedergeburt und Fruchtbarkeit.
Sieht doch gut aus, oder?
Und dann gehts los. Zwei alte Herren stellen sich unter die Majstang, sie haben blau-weiße Schiebermützen an und ein Akkordeon umgehängt. Sofort versammeln sich alle um sie herum. Die alten Herren singen Volkslieder. Und wir fassen uns an den Händen und tanzen im Kreis um die Majstäng. Wir verstehen kein Wort. “Sma godarna”, singen die beiden Männer und alle singen mit. Auf einmal springen alle und gehen in die Hocke. Dann fassen sich alle an die Ohren und an den Rücken. Sehr seltsam und sehr lustig. Erst im Nachhinein erfahren wir, dass es das Lied der kleinen Frösche ist, das nur am Mittsommertag gesungen wird und jeder Schwede kennt.
Den längsten Tag des Jahres in Schweden zu verbringen, das war von Anfang an unser Ziel.
Nach dem Tanzen haben wir Hunger und stellen uns bei den Buden an. Wir bestellen Waffeln mit Hering, Dill und Sauerrahm und Waffeln mit kleinen Garnelen. Frische Erdbeeren gibt es keine, das Wetter war dieses Jahr zu schlecht, die Früchte sind noch nicht reif.
In Bayern würden jetzt alle Bier trinken. hier gibt es keinen Alkohol, die Stimmung ist friedlich und ruhig. Alle nippen an Wasser oder selbstgemachter Limonade. Die Kinder rennen umher, kaufen Lose und machen eine Traktorfahrt über die Felder.
Die Waffel wird mit Sauerrahm und Fisch serviert, das Bier hat keinen Alkohol.
Um 16 Uhr ist das Fest vorbei. Und was ist mit dem Feiern bis tief in die Nacht? Das tun die meisten Schweden im privaten Kreis. Sie treffen sich zuhause, essen Frühkartoffeln und eingelegten Hering oder geräucherten Lachs.
Die Mittsommernacht ist voller Magie und Geheimnisse, heißt es. Ein Brauch ist es zum Beispiel, dass die jungen Frauen in der Nacht sieben verschiedene Blumen pflücken. Sie müssen es schweigend tun. Sonst bricht der Zauber. Die Blumen legen sie unter ihr Kopfkissen und dann erscheint ihnen im Traum der zukünftige Ehemann. “Sollen wir das auch machen?” frage ich Fine und Lotti. Beide schütteln den Kopf. Blumenpflücken finden sie schön, aber auf einen Ehemann haben sie gar keine Lust.
Dunkel wird es heute nicht.
Wir sitzen an diesem Abend lange am Feuer und erzählen uns Geschichten. Bis halb elf ist es so hell, dass wir sogar noch eine Bootstour über den See machen. Das Wasser ist glatt, der Wald wird langsam dunkel. An Mittsommer berühren sich Himmel und Erde. Ob jetzt hinter den Bäumen die Elfen tanzen? Und die Trolle hervorspringen? Möglich scheint alles in dieser Nacht.